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Thomas Gauck: Hendrik, deine Arbeiten sind auffallend anders, künstlerisch und grafisch – siehst du dich eher als Fotograf oder Fotodesigner, erzähl uns doch bitte etwas über dich?

Hendrik Eckenheimer: Als Kind habe ich oft meinen Vater dabei beobachtet, wie er in seinem eigenen kleinen Fotolabor mit Hilfe geheimnisvoller Tinkturen und zahlreicher Apparaturen Bilder auf weiße Blätter zauberte. Im schummrigen Licht verfolgte ich gebannt die Magie des Lichts und der Chemie. Mit meiner ersten eigenen Kamera fing ich dann vor allem Strukturen ein, wie Baumrinde, Straßenpflaster, Kieswege oder Häuserwände, nur um in der Dunkelkammer neugierig verfolgen zu können, wie sich durch die chemischen Prozesse die Muster und Farben veränderten. Den richtigen Umgang mit der Kamera, den Einfluss von Blende, Belichtungszeit und Lichtempfindlichkeit auf das Foto, hatte ich erst als Erwachsener richtig erlernt.

Die entscheidenden Momente in meinem künstlerischen Schaffen sollte jedoch die Entwicklung der digitalen Fotografie liefern. Die Bilderflut in den zahlreichen Internet-Fotoforen führte mir jedes Mal deutlich vor Augen: Egal welches Motiv ich wählte oder wie ich es darstellte, alles ist bereits fotografiert worden. Es gibt den Pariser Eifelturm in allen Bildvarianten, zu allen Tages- bzw. Jahreszeiten. Nun veränderte ich meine Fotoarbeiten am Computer, fügte Strukturen ein und arbeitete sogar mit Stift und Pinsel auf den Ausdrucken. Plötzlich saß ich wieder in der Dunkelkammer, wenn auch nicht im Sinne der analogen Fotografie. Der Prozess der Bildentstehung, das Kreieren, das Verändern der Bildwirkung mittels Farben und später dann auch das Einbringen von echter Malerei beeindruckte mich zutiefst.

Die eigentliche Fotografie ist für mich somit in den Hintergrund getreten. Sie ist ein Teil meiner Arbeit, wenngleich auch immer noch ein sehr wesentlicher. Heute verwende ich Kamera, Pinsel, Stift, Computer und benötige einige Stunden oder manchmal auch Tage bis ein Werk fertiggestellt ist.

Thomas: Und diese Techniken machen deine Bilder so interessant! Von welchen Kräften lässt du dich bei der späteren Bildentstehung leiten? Hast du schon beim eigentlichen Fotografieren eine Vorstellung der späteren Bearbeitung, lässt du dich rein von gestalterischen Aspekten leiten, oder spielen bei der Bearbeitung auch psychologische Aspekte – oder private Beziehungen zum Motiv mit – du erwähntest bei der Einsendung deiner Bilder, nämlich, dass die Titel sehr wichtig sind …?

Hendrik:
Inspiration finde ich häufig in den Künsten, vor allem in der Musik. Ich mag Opern und nicht selten bin ich nach einem Opernbesuch im Malraum verschwunden um neue Bildideen zu skizzieren. In vielen Fällen habe ich eine konkrete Idee, an dessen Umsetzung ich dann auch konsequent arbeite. Die hier vorgestellte Serie ist auch so entstanden. Ein befreundetes Model hatte mir bei der Umsetzung der Fotos geholfen. Die grafischen Arbeiten erfolgten kurze Zeit später.

Doch nicht immer ist solch ein zielgerichtetes Arbeiten möglich. Gerade in der grafischen Phase gerät vieles in Bewegung, der eigentliche Schaffensprozess reißt mich mit, neue Ideen tauchen auf und es entwickeln sich mehrere Wege eine Geschichte zu erzählen. Daher liebe ich auch die Arbeit mit Serien, denn sie ist besonderes herausfordernd. Man steht vor der Aufgabe ein Motiv oder eine Idee zu variieren. Die Bilder müssen einen Wiederkennungseffekt besitzen ohne dabei langweilig zu werden. Dieser Zwang, sich intensiver mit einer Bildidee zu beschäftigen, ist sehr belebend, setzt kreative Kräfte frei und hilft mir mich auf ein Grundmotiv bzw. auf eine grafische Gestaltung zu konzentrieren.

Alle meine Werke haben eine emotionale Ebene. Sie ist die Grundsubstanz der Bildaussage, aber auch der Treibstoff zur Entstehung der Bilder. Ich kann kein Werk gestalten ohne Leidenschaft und echte innerliche Beziehung zu Motiv und gewünschter Bildaussage. Deshalb sind mir Titel auch wichtig, sie weisen dem Betrachter einen schmalen Pfad für eine Interpretation. Wenn diese Leidenschaft fehlt, versiegt auch die Inspiration und ich verliere die Lust am Gestalten. Ich habe immer wieder Phasen, in denen nichts Neues entsteht. Dann bleibt jedoch immer noch die pure Fotografie. Gern nehme ich dann meine Kamera in die Hand und begebe mich wieder auf die Suche nach Strukturen, Farben und Mustern. Trotz allem bleibe ich dann der traditionellen Fotokunst verhaftet.


Hendrik Eckenheimer


Thomas: Die Erklärung mit ‚… dem schmalen Pfad zur Interpretation …‘ gefällt mir sehr! Als (Foto)Künstler braucht man kreative Einflüsse, gibt sie aber als gestalterische Kraft wieder an den Betrachter weiter, und ich meine, gerade bei deinen Arbeiten, auch bei den portraitlosen Bildern, gibt die serielle Sichtweise in Verbindung mit den Titeln eine Ahnung deiner Intention. Ich hab vor ein paar Jahren deine Arbeiten, ich glaube in Facebook – oder war es woanders – gesehen und war total begeistert über deren ätherische Wirkung, deren Synthese aus Grafik und Fotografie. Deine Bilder mach Lust auf mehr – hast du eigentlich keine Website, oder wo kann man deine Bilder möglichst umfassende sehen? In dem Zusammenhang interessiert mich auch, ob die deine Arbeiten auch ausdruckst und ausstellst?

Hendrik: Vor etwas mehr als einem Jahr habe ich mich aus dem Internet zurückgezogen, also meine Homepage vom Netz genommen und auch meine Veröffentlichungen in sozialen Netzwerken bzw. Fotoforen zurückgefahren. Ich war in letzter Zeit nicht mehr so produktiv und neue Werke sind nur sporadisch entstanden, auch wollte ich etwas Abstand zum Foto(Kunst)-Betrieb gewinnen. Auf Facebook präsentiere ich jedoch weiterhin meine Werke und pflege Kontakte zu Künstlerfreunden und Fans. Aber eine neue Homepage ist in Planung mit frischen Werken und auch die alten Sachen werden gezeigt.

Ich hatte ein paar kleine Ausstellungen wo einige meiner Werke gezeigt wurden. Es ist für mich immer sehr aufregend, meine Bilder in direkter Interaktion mit einem Betrachter wahrnehmen zu können. Überhaupt ist es bei der digitalisierten Kunst wichtig, sein Werk nicht nur auf dem Computerbildschirm zu mustern, man muss es auch in die Hand nehmen und bei Lichte betrachten können. Für mich ist das gerade bei Werken bedeutsam, wo es mir schwer fällt zu einem Ende zu kommen. Dann ist der für mich zufriedenstellende Ausdruck auch immer eine ritualisierte Finalisierung.

Thomas: Von Ansel Adams existiert ja dieser bekannte Spruch ‚Zwölf gute Fotos in einem Jahr sind eine gute Ausbeute‘. Klar, zu seiner Zeit war es nicht so leicht Bilder Bilder final auf den Weg zu bringen, wie heute – dennoch, bin ich der Meinung, kann ein echtes Foto, niemals von einer Datei in Bierfilzgröße bei Facebook oder Flickr repräsentiert werden. Aber auch die Betrachtungs- und Wertschätzungskriterien haben sich massiv geändert. Echte Kunstwerke gehen in den sozialen Medien unter, erst recht, wenn die Reichweite des Produzenten – ‚Fotograf‘ will ich den Zwischenzustand erst gar nicht nennen – im Keller liegt. Kann ein Bild mit wenig Klicks, ein Portfolio mit wenig Followern überhaupt was taugen? Was für eine rhetorische Frage. Ich denke ja doch – In Facebook gibt es zum Beispiel das Portfolio einer Fotografin, die in den letzten 40 Jahren Platten-Cover-Geschichte geschrieben hat – sie hat das Who-is-Who der englischen und amerikanischen Pop-/Punk-/Rock-/Klassik- und Schauspielerszene fotografiert – ihre Fansite hat aber nur ca. 270 Likes. Wahrscheinlich deshalb, weil es ihr erstens Wurscht ist und sie zweitens statt Facebook-Pflege lieber fotografiert. Ich bin mir sicher, da draussen gibt es einen Ozean an superfähigen Leuten, Fotografen und Fotokünstler die im Prinzip außerhalb ihrer Szene keiner wahrnimmt. Wie siehst du den Spagat aus Social-Media-Verzicht und Social-Media-Notwendigkeit aus Künstlersicht?

Hendrik: Eine Hassliebe. Wie oft schon habe ich diese Beziehung aufgekündigt, um ein Singleleben zu führen.

So zahlreich die Möglichkeiten von diesen Netzwerken, Fotoforen, Onlinegalerien sind, so überwältigend ist die Bilderflut, die tagtäglich aus allen Ecken des Internets quillt. Das führt zwangsläufig zu einer Abstumpfung in der Wahrnehmung bzw. Wertschätzung und wie naiv muss man sein, wenn man glaubt, dass eine hohe Zahl von Likes etwas mit der Qualität des gezeigten Bildes zu tun hätte. Gute Bilder sind wie ein Wein, der erst nach einigen Schlucken sein Bouquet entfaltet und langsam sein Geheimnis preisgibt, um ein nachhaltiges Erlebnis zu bieten. Es bleibt jedoch keine Zeit für Genuss, es wird nur runtergeschluckt, während man bereits nach dem nächsten Glas greift. Alles Zarte, Rätselhafte, die Magie zwischen den Bildpunkten und Farbklecksen wird buchstäblich plattgewalzt und geht unter. Bei mir als Künstler sorgt diese Reizüberflutung ebenfalls zum Blackout, die Sinne werden betäubt und die Luft für Kreativität wird knapp.

Andererseits bieten sich aber auch zahlreiche Gelegenheiten um Kontakte zu knüpfen, Informationen auszutauschen, Meinungen und Stimmungen zu seinen Werken einholen oder Anregungen z.B. neue Techniken entdecken. Einige sehr wertvolle Freundschaften sind so entstanden. Ich kann meine Werke unkompliziert einer nicht unerheblichen Schar von Interessenten und Kundigen auf der ganzen Welt vorstellen. Zudem kann die Organisation einer Ausstellung sehr teuer sein. Ansprechende Ausdrucke gehen ins Geld und was nutzt eine Werkspräsentation, wenn kein Mensch davon Kenntnis hat.

So bleibt ein vorsichtiger Umgang mit Social-Media und wenn notwendig auch hin und wieder mal eine kleine Auszeit, um den Kopf freizubekommen.

Thomas: Hendrik, fotografierst du noch analog?

Hendrik: Ich habe in den letzten 10 Jahren die analoge Ausrüstung nur noch sehr selten in die Hand genommen. Zu groß war die Neugier auf die neue Technik und deren vielfältige Anwendungsmöglichkeiten. Vor einigen Jahren hatte ich noch mal eine Phase, wo ich mit Polaroidkamera experimentiert habe. In diese Zeit fällt auch das Spielen mit einer Holga.

Thomas: Ich sehe dich als tiefgründigen Bild-Komponisten – Was ist dein ‚Geheimrezept‘ um der eigenen Oberflächlichkeit von Bildkreationen zu entweichen? Ist es nur Musik? Ist es die Zeit, die ein Werk zur Reife braucht? Welche Synthesen finden in deinem Kopf sonst noch statt, die letztlich in einem Bild münden?

HendrikEine sehr schwierige Frage und ich musste eine ganze Weile in mich gehen, um antworten zu können. Die Komplexität an dieser Fragestellung speist sich aus zwei Tatsachen: Zum einen sind mir viele Prozesse selbst gar nicht bewusst, zum anderen berührt diese Frage auch eine sehr intime Welt. Dennoch versuche ich mal drei mir als wesentlich erscheinende Aspekte kurz näher zu erläutern.

Ich bin ein sehr aufmerksamer Beobachter und habe nicht selten eine geradezu philosophische Sichtweise auf die Umwelt. Das kann übrigens auch schon mal sehr anstrengend für meine Mitmenschen oder für auf mich selbst werden. Gepaart mit einer Portion Empathie und einem permanenten Hinterfragen meiner eigenen Person entsteht hier immer wieder ein Spannungsfeld das genügend Energie für Kreativität erzeugt.

Auch Ästhetik ist ein sehr beachtlicher Treiber in meinem Schaffensprozess. Das äußert sich als eine Art heimlicher Suche nach Schönheit, die ich aber vor allem in der Balance und Ausgewogenheit einer Komposition entdecke. Hier liegt vermutlich auch meine Liebe zu grafischen Elementen und Farben begründet. Überhaupt könnte ich zum Thema Schönheit einen langen philosophischen Vortag darbieten.

Ein letzter Aspekt ist das Thema Romantik. Eigentlich ist die Romantik eine Unterform der Schönheit, die hier vor allem auf einer emotionalen Ebene einen Zugang zum Rezipienten aufbaut. Eine gewisse romantische Sehnsucht äußert sich wohl häufig in meinen Bildern. Ich empfinde es als eine Art Gegenbewegung in einer Zeit, in der Rationalität und Zeitmanagement wesentlich unseren Alltag bestimmen.

Thomas: Vielen Dank Hendrik, für den kleinen Einblick in deine Arbeit!

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