Atelierbesuch

Jurga Graf

Die Fotografin Jurga Graf erzählt über ihre Arbeit und ihr Leben, Moritzreuth März 2018:

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Video-Link: https://www.youtube.com/watch?v=DhCY80p5BvM
Jurga Graf
Jurga Graf

Aus dem Portfolio

Die Berliner Portraitfotografin Anna Jane Brooks in einem Video-Interview. Nürnberg, Juli 2017:

Anna Jana Brooks

Anna Jane Brooks (Foto: T. Gauck)

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Video-Link: https://www.youtube.com/watch?v=tf8TUMa5jMU

Aus dem Portfolio

Thomas Gauck: Peter, wenn ich mir dein Portfolio ansehe vergesse ich wirklich die Zeit … so viele hochkarätige und faszinierende Portraits. Aber ich muß gestehen, außer dass du in Rödermark lebst (was man deiner Website entnehmen kann), weiß ich sehr wenig über dich. Magst du uns ein paar Infos zu dir und zu deiner Fotografie geben?

Peter Müller: Geboren bin ich 1965 in Prüm in der Eifel, aufgewachsen mit einer Voigtländer Vito B/Canon AE 1 und immer schon in der Dunkelkammer selbst entwickelt, habe ich während des Studiums der BWL in Mainz schon Mit-Studenten portraitiert. Seit 1993 bin ich Unternehmensberater u.a. bei PwC und seit 2004 Partner bei BearingPoint in Deutschland. Als Manager und Photograph des NOIRteams, setze ich heute in Workshops für Kunden und Shootings meine eigenen Ideen fotografisch um bzw. ermögliche meinen Kunden Ihre Ideen umzusetzen.

„It is an illusion that photos are made with the camera… they are made with the eye, heart and head“ (Henri Cartier-Bresson)

Photographie hält Momente fest für die Ewigkeit. Die Kamera ist das mein Instrument, diese Momente einzufrieren. Der Photograph ist das Bindeglied zwischen der Kamera und dem Moment, den er erfassen möchte. Er entscheidet über den Moment selber, den Ausschnitt des Moments, den er in einem Bild festhalten will und die Gestaltung des Bildes. Das gilt für alle Genres der Photographie.

Ich versuche die Photographie im Sinne Cartier-Bressons zu leben. Photographie bedeutet für mich Emotionen zu leben und einzufangen, sie entstehen im Zusammenspiel von Menschen … die wir als Photographen mit den Menschen abbilden.

„Was mich interessiert, ist diese gewisse Wirklichkeit hinter der Fassade.“ (Peter Lindbergh 2014)

Ich möchte die Menschen so zeigen, wie sie sich selber sehen, wie sie sich in dem Moment der Aufnahme fühlen. Dazu verbringe ich Zeit mit ihnen, spreche, lache, schweige, sehe … Ich fotografiere und denke in Schwarz/Weiss. Ich mache keine Retusche ausser Licht und Kontrast, meist sind meine Bilder direkt out of camera … einerseits erleichtert das die Arbeit, sie zwingt aber auch sich direkt auf das Wesentliche zu konzentrieren.

Thomas: Der große Lindbergh gibt bei Shootings ja ‚Dauerfeuer‘ … fotografierst du in ähnlichen Mengen und selektierst im Nachhinein?

Peter: .. nachdem ich PL in der ARD Sendung „Deutschland-Deine Künstler…“ habe arbeiten sehen, wusste ich das ich nicht ganz aus der Art geschlagen bin. Ich bin auch immer auf Highspeed und aus einem Shooting können problemlos 2000-3000 Bilder entstehen. Da bei mir die Menschen vor der Kamera immer in Bewegung sind möchte ich den Einen Moment „dazwischen“ festhalten an dem alles perfekt ist … nicht perfekt im technischen Sinne … sondern emotional… d.h. die Person zeigt sich so natürlich in der Situation wie sie sich in dieser Sekunde fühlt. Das erreicht man meiner Meinung nach nur durch „Dauerfeuer“ wie PL es nennt. In der aktuellen Vogue sagt er dass er für den Pirelli Kalender 40 Bilder liefern musste, 37.000 geschossen und 18.000 archiviert hat. Da ist noch Luft nach oben für mich :-)

Thomas: Wie gehst du denn bei deiner Bildauswahl vor? Was sind deine Kriterien, um ein Foto zu behalten, sei es für die Vorauswahl oder die Endauswahl?

Peter: Ich erlebe das „Top-Bild“ oft schon während des Shootings, d.h. Ich weiss dass es da ist weil ich es schon gesehen habe. Das passiert oft pro Set, so dass ich in der Vorauswahl den Schwerpunkt auf diese Momente lege. Generell schau ich mir in Lightroom alle Bilder in S/W an und selektiere mit Sternen. Die feine Auswahl gehe ich dann im Vergleichsmodus durch. So reduzieren sich aus 1000 Bildern schnell eine Top-Liste von 40-60 Bildern. Meist gehe ich dann ein halbes Jahr später noch mal durch und finde dann noch mal andere. Das Model bekommt in der Regel von mir so 20% der Bilder zur Auswahl weil sie meist andere auswählen als ich.

Thomas: Wie findest du immer wieder zu neuen – erfrischend neuen – Motiven? Ich meine: Klar, andere Sets, andere Gesichter führen zu anderen Motiven. Aber wie gehst du damit um, neue Motivideen zu kreieren – wieviel Planung ist dabei, und wie viel entsteht aus der Selektion heraus? Ist es bei der Selektion so, dass du geniale Shoots verwirfst, weil du sie zu ähnlich schon aus anderes Sessions hattest?

Peter: Für mich ist alles eine Quelle der Inspiration, d.h. oft sehe ich was in der Werbung, Zeitungen, etc, einen Ort beim Reisen, Bücher – habe über 300 Photobände – besonders Lindbergh, Newton, Avedon, Elgort, Vincent Peters, Greg Gorman… Für jedes Shooting plane ich mit dem Model anhand eines Moodboards – meist aus Pinterest zusammengestellt – die einzelnen Sets. Entweder versuche ich das im Studio entsprechend vorzubereiten bzw. aufzubauen, suche aber lieber authentische Locations – Häuser, Wohnungen (AirBnB), Lost Places, Bar, Autos etc. Ich habe über die Jahre jetzt ein Netzwerk aufgebaut, auf das ich immer zugreifen kann.

Eigentlich verwerfe ich nie gute Bilder, selbst wenn Sie sehr ähnlich eines schon existierenden Bildes sind. Aber erstens ist es immer ein anderer Mensch, anderer Look, Ausdruck und Moment … Wenn man PL in den letzten Jahren verfolgt, entstehen viele seiner Portraits immer in einer ähnlichen Situation – sein LichtCage, Tisch, Stuhl, Kisten etc. und dennoch ist jedes Portrait immer etwas anders und persönlicher, es führt nur dazu das man es erkennt und nicht viel ablenkt … diese Ansatz finde auch auch sehr gut und verfolge ihn ähnlich.

Thomas: Viele deiner Motive könnten aus einem späten ‚Film Noir‘ stammen, dafür sprechen die harten Hell-Dunkel-Kontraste und die reduzierte Beleuchtung, ebenso sehr wie die Wahl deiner filmreifen Modelle – männlich wie weiblich. Ist dir dieses Film-Genre in der Tat wichtig in deiner Arbeit, leitest du daraus ein fotografisches Sehen ab?

Peter: Ich bin mit Film Noir aufgewachsen bzw. Hitchcock-Filmen in denen das Licht mehr Drama machte als die Protagonisten. Daher arbeite ich fast ausschließlich mit natürlichem oder Dauerlicht um diese Stimmung zu erzeugen bzw. das Licht ein Teil der Bildgestaltung bewusst zu nutzen.

Was die Models angeht suche ich meist spannende Gesichter die was ausdrücken können. Gute Models sind für mich dann gut, wenn sie auch gute Schauspieler sind. Daher verstehe ich meine Rolle mehr als Regisseur und Kameramann in Einem, der dem Model die Idee und die Rolle erläutert und es dabei unterstützt diese dann zu spielen. Dieses Spiel nehme ich dann mit vielen Bildern auf um diesen einen perfekten Moment aufzunehmen.

Thomas: Begeistern dich auch andere fotografische Genres oder bist du zu 100% People-Fotograf?

Peter: Ich mache auf Reisen sehr viele Bilder, Landschaften und Menschen – dann auch in Farbe … wobei ich mir immer offen halte das in S/W zu konvertieren. Hierzu nutze ich sehr oft meine Leica M da sie viel Handlicher und unauffälliger ist. Diese Bilder verarbeite ich meist zu einem Buch. Kommerziell arbeiten wir im Noirteam oft mit Farbe und S/W für Kataloge (Fashion/Designs) und dann eben bedingt Produktfotos und gestellte Bilder um dem kommerziellen Gedanken gerecht zu werden. Diese Bilder zeige ich aber so gut wie nie.

Thomas: PL sagte vor Kurzem, „… die Kamera ist absolut egal …“ – ist das bei dir auch so?

Peter„It is an illusion that photos are made with the camera… they are, made with the eye, heart and head“ Henri Cartier-Bresson

Das wurde schon früher von einem der besten Photographen jemals und Gründer der Magnum Agentur festgestellt. Ich kann das nur bestätigen…. ob Nikon, Sony, Canon … es sind Werkzeuge … alle sind in der Lage gute Bilder zu machen. Viel wichtiger ist das Werkzeug intuitiv zu nutzen, d.h. du stellst die Kamera zum Start des Sets einmal ein und kümmerst dich, solange die externen Faktoren (Licht, Schatten, etc) sich nicht signifikant verändern, nicht mehr um die Kamera sondern um das Model und die Szene. Ich shoote alles nur manuell (Zeit, Blende, ISO, WB) und im Continuous-Focus bei schneller Serie. Ich stelle die Kamera einmal mit einem Schuss ein und dann kümmere ich mich nur noch um die Szene, das Model, spreche, dirigiere etc. schaue mir aber kein Bild zwischendurch an um die Energie auf beiden Seiten nicht zu verlieren. Für mich ist dann die Kamera in der Hand die Verlängerung meines Auges und meiner Vision des Bildes im Kopf. Ich glaube fest, bekomme das auch oft von Models bestätigt, dass das zu Vertrauen und Offenheit führt, da sie merken, dass sie im Mittelpunkt meiner Aufmerksamkeit sind und nicht die Kamera bzw. die Technik.

Thomas: 8. Wie stehst du zu Retusche-Arbeiten an Portraits?

Peter: Es erstaunt mich immer wieder, wie viel an Bildern bearbeitet wird. Ich spreche von ganz normalen Portraits und nicht Bildern, die bewusst für die Werbung oder andere kommerzielle Aufgaben so arbeitet werden müssen – nein Bilder wie ich sie auch jeden Tag mache. Ich kann nicht verstehen, warum Photographen das Model nach dem Shooting so verändern müssen, dass sie teilweise sich selbst nicht mehr gleichen … das geht so weit, dass ich in einem Shooting gehört habe …„Licht und Pose egal, mache ich später in PS…“. Justage an einem Bild, Licht, Schatten, Kontraste, Schnitt …alles Normal, hatte man früher in der Dunkelkammer auch gemacht aber mit „Verflüssigen“ und anderen Filtern die Person verändern (Nase, Gesichtsumfang, Augen, Beine, Po etc) ist grausam in meinen Augen. Aus zwei Gründen: erstens es gibt dem Model das Feedback, Du bist nicht gut wie Du bist … das ist nicht nur unhöflich sondern verletzt die Person auch persönlich .. zumindest meine Erfahrung aus Erzählungen… Zweitens hat das nichts mit Photographie zu tun, sondern ist Composing und sollte als solches gekennzeichnet sein. In dem Fall ist für mich das Bild die Rohmasse um etwas anderes zu gestalten. wenn dem so ist… alles gut, …wenn es aber dazu führt, das sich der Photograph nicht mit den Basics beschäftigt, weil er alles später richtet, es aber als Photographie ausgibt … no way… Allerdings meine Sicht …

Thomas: Social-Media-Gefälligkeit und eigener Stil – wie geht das zusammen?

Peter: Ich beobachte und schreibe bzw. arbeite viel mit anderen Photographen. Ich habe meine Vorbilder – sei es die alten Meister, die schon tot sind, oder aktuelle wie Lindbergh, Georg Gorman, Jacques Olivar, Vincent Peters… Sie haben über die Jahre Ihre Handschrift entwickelt, oft gegen die Widerstände des Marktes bis der Markt sie entdeckte. Heute habe ich das Gefühl das sehr talentierte Menschen photographieren, sehr individuelle und besondere Stile zeigen und dafür aber in FB oder Instagram nicht die Anerkennung finden, die sie sich erhoffen. So passen sie schleichend sich dem „mainstream FB/Instagram“ Geschmack an … Farbe, süsse Gesichter, Haut, starke Bearbeitung .. und erfahren auf einmal Anerkennung. das Problem dabei ist, der eigene Stil ist weg und man geht in der großen Masse unter. Ich kann aus eigener Erfahrung nur sagen und empfehlen … shootet für Euch, Ihr müsst das Bild lieben und dazu stehen… arbeitet nicht für Likes oder Follower, sondern für Euch… sonst verliert Ihr den Spass an der Photographie … ich kenne Einige die das Rennen in Social Media aufgegeben haben .. Wenn Ihr es aushaltet, dass nur wenige, aber vielleicht dafür gute Photographen Eure Arbeit würdigen, sie kommentieren und verfolgen, habt Ihr mehr gewonnen als hunderte „sabbernde“ Follower, die wissen dass sie bei Euch tolle süsse Gesichter zu sehen bekommen, die sie so nie in Natura sehen würden … Wiederum meine Sicht der Dinge und meine persönliche Erfahrung nach einer 18-monatigen Durststrecke.

Thomas: Hast du eigene Projekte in naher Zukunft – eine Ausstellung zum Beispiel?

Peter: Ausstellung gibt es noch keine, aber demnächst ein Buch „Noir“ mit der Story des St. Peter-Ording shootings für den Designer Emanuel Hendrick und den S/W Arbeiten vom NoirTeam- jean Noir, Jessica Noir und mir Date ist September 2017.

Thomas: Vielen Dank Peter, für deine Bildstrecke und das Interview!

Peter Müller - Foto: Jean Noir

Peter Müller (Foto: Jean Noir)

Le Rêve De La Nymphe

Thomas Gauck: Andrea, erzähl uns bitte etwas über dich, woher kommst und wie sieht deine Welt der Fotografie aus?

Andrea Kisslinger: Hallo, ich komme aus Freiburg und bin im wahren Leben Lehrerin. Wie für viele, war die Beschäftigung mit der Fotografie für mich in erster Linie ein Hobby. Es ist eine Welt, in der ich völlig versinken kann. Und über eine lange Zeit hinweg war das auch eine rein private Welt – nur wenige wussten überhaupt, dass ich fotografiere. Spätestens als ein Freund mich um Bilder für seine Kanzlei bat, dämmerte mir, dass meine Fotografien andere Menschen interessieren könnten. Den letzten Anstoß gab meine Mitbewohnerin, die mich bei meiner ersten Ausstellung »meer|blick« unterstützte -einer schwarzweiß Serie mit Landschaftsaufnahmen von Rügen.
Fotografieren ist für mich jedesmal ein kleines Abenteuer. Es kommt eben oft anders als geplant: Man hat ein bestimmtes Bild im Kopf und merkt erst beim Shooting, dass es mit diesem einen Model einfach nicht funktioniert. Dafür kommen aber ganz neue Ideen ins Spiel und so wird aus einem misslungenem Milchbad-Shooting so etwas wie die Serie »le rêve de la nymphe«.

Thomas: Was ist der Schwerpunkt deiner Fotografie?

Andrea: Ich habe lange Zeit ausschließlich Landschaften fotografiert. Portraits kamen erst vor ungefähr einem Jahr dazu und sind mittlerweile der Schwerpunkt meiner Fotografie. Ich liebe den Austausch mit meinen Models und anderen Fotografen, den kreativen Prozess von der ersten Idee bis zur fertigen Aufnahme. Richtig spannend wird es für mich, wenn sich meine Models auf ungewöhnliche Aufnahmen einlassen und experimentierfreudig sind. Das war bei der Serie „le rêve de la nymphe“ so – aber auch bei dem aktuellen Projekt zum Thema Depression, das ich zusammen mit dem Ingolstädter Fotografen Alexander Apprich umsetze und ab dem 19.05.17 in einer Ausstellung in Ingolstadt zeigen werde.
Egal ob es sich bei meinen Fotografien um Landschaften oder Portraits handelt – es sind immer Momentaufnahmen von Gefühlen, die ich visualisieren will.
Dabei bleibe ich zumindest in der nächsten Zeit meiner Nikon D5100 treu. Sie war meine erste Spiegelreflex – wenn ich die Möglichkeiten dieser Kamera ausgereizt habe, kommt für mich vielleicht etwas Anderes in Frage.

Thomas: Fotografierst du gerne indoor oder outdoor – und warum?

Andrea: Mit einem Entweder/Oder kann ich diese Frage nicht beantworten. Ich finde, das hängt ganz stark davon ab, was das Thema des Shootings ist. Ich versuche, meine Ideen mit einfach zugänglichen Mitteln umzusetzen. Pompöse Inszenierungen liegen mir nicht. Die meisten meiner Portraits sind indoor entstanden, nicht zuletzt weil man ungeachtet des Wetters agieren kann. Bei outdoor Aufnahmen ist man von entschieden mehr unvorhersehbaren Faktoren abhängig, was spannend und herausfordernd ist.
Das Umfeld beeinflusst die Aussage eines Bildes enorm. Für mich stehen das Model und die Geschichte, die transportiert werden soll, im Vordergrund. Habe ich eine gute Location, die nicht nur „hübsches Model auf hübscher Blumenwiese“ hervorbringt, würde ich mich definitiv für outdoor entscheiden.

Thomas: Was ist bei dem Milchbad-Shooting schief gegangen?

Andrea: Herrjeh, das Milchbad-Shooting :-)
Meine Grundidee war, den Kontrast von Ruhe und Bewegung im Wasser darzustellen. Die erste Schwierigkeit war, jemanden zu finden, der überhaupt dazu bereit war, in ein Milchbad zu steigen. Die zweite war die Eigenschaft des Wasser-Milch-Gemischs: Für meine Idee war die Struktur der Wellen nicht ausreichend kontrastiv. Deswegen habe ich es in einem zweiten Durchgang mit farbigen, glitzernden Badekugeln versucht. Die Fußbodenheizung und das warme Wasser hatten zur Folge, dass die Linse andauernd beschlug und mein armes Model mit hochrotem Kopf zwischen welkenden Blüten saß. Trotzdem sind dabei sehr schöne Bilder entstanden. Beim letzten Versuch wollte ich nun endlich meine Struktur haben. Also habe ich auf klares Wasser, viel Licht und starke Kontraste durch die weiße Wanne und das dunkelhaarige Model gesetzt. Bei diesem Shooting war relativ schnell klar, dass wir mit der Erwartungshaltung der Betrachter spielen wollten. Unter der Wasseroberfläche zu sein, hat für viele etwas Beängstigendes. Man kann das Untertauchen allerdings wörtlich nehmen – dann haben die Bilder etwas Beruhigendes und Melancholisches.

Thomas: Wieviel Zeit wendest du in deinem Leben für die Fotografie auf?

Andrea: Das hängt natürlich ganz stark davon ab, wieviel Zeit mir mein Beruf lässt. Einen festen Rhythmus für Shootings habe ich nicht. Manchmal sind es mehrere pro Woche, manchmal einen Monat lang gar keines. Diese Zeit nutze ich dann für neue Ideen, bearbeite Bilder oder tausche mich mit anderen Fotografen aus. Gefühlt ist es immer zu wenig Zeit.

Thomas: Arbeitest du gerne seriell wie bei dem »le rêve de la nymphe«?

Andrea: Ja, liebend gerne. Meine letzte Serie stand beispielsweise unter dem Motto „Großstadtindianer“. Ich arbeite nicht mit professionellen Models, sondern mit ganz normalen Menschen. Ich habe festgestellt, dass es für sie einfacher ist, wenn das Shooting ein Motto hat und sie eigene Ideen einbringen können. Durch ein vorgegebenes Thema entsteht eine kreative Dynamik, aus der sich oft neue Einfälle für eine weitere Serie ergeben. Ich finde diese Dynamik schlägt sich auch in den Bildern nieder. Lediglich beim ersten Shooting sind es oft reine Portraits – danach werden die meisten Models mutiger. Zudem setze ich gerne ein bestimmtes Accessoire ein. Das können falsche Wimpern sein, ein Messer oder was sonst so im Haus zu finden ist.

Thomas: An welchen zukünftigen Projekten arbeitest du außerdem, kannst du dazu schon etwas verraten?

Andrea: Wirklich spruchreif ist davon noch keines, da ich momentan zwei Ausstellungen laufen habe. Das Projekt über Depression wird sicherlich noch weiter ausgebaut. Alex und ich strecken da gerade unsere Fühler aus, was noch möglich wäre. Wir haben auf das Konzept unglaublich viele positive und berührende Reaktionen bekommen.
Ein weiteres Projekt ist mit einer Tänzerin geplant. Wir wollen den Rhythmus einer Landschaft durch Tanz darstellen.

Thomas: Welches größere Projekt würde dich faszinieren, hast es aber auf Grund von fehlenden Ressourcen noch nicht umgesetzt?

Andrea: Mir geistert schon länger etwas im Hirn herum, das ich unbedingt umsetzen möchte. Es ist wieder eine Kooperation, diesmal mit einer Schriftstellerin. Jeweils eines ihrer Gedichte soll mit einem Portrait von ihr verbunden werden. Wir haben schon eine Menge Ideen für den Gedichtband, aber finden nicht die Zeit es ernsthaft in Angriff zu nehmen.

Thomas: Welche sind von dir bevorzugte Inspirationsquellen (Fotografen-Portfolios im Internet, Ausstellungen, Treffen, etc.) – und welche Tipps möchtest du uns hierzu geben – zum Beispiel tolle Online-Portfolios?

Andrea: Natürlich gibt es Fotografen, die ich toll finde (z.B. Raquel Chicheri). Echte Inspirationsquellen liegen für mich aber eher außerhalb der Fotografie: Musikvideos, Gedichte, manchmal auch das, was gerade im Fernsehen läuft. Ich habe beispielsweise eine Reihe mit Tanzbildern und Portraits aufgrund der TV-Serie „Flesh and Bones“ fotografiert.
Die einzige Community, an der ich mich aktiv beteilige, ist 500px. Hier ist von ambitionierten „Hobbyisten“ bis zu hochkarätigen Fotografen alles vertreten und ich habe das Gefühl, dass Bilder dort nicht nur wie Fastfood konsumiert werden. Bei Christian Fuhrmann, Rekha Garton oder Marco de Waal schaue ich dort regelmäßig in die Portfolios.
Aus meinem Bekanntenkreis kann ich natürlich die Seiten von Alex Apprich und Werner Polwein empfehlen. Beide haben einen ganz eigenen Stil mit hohem Wiedererkennungswert. Wer sich für analoge Fotografie interessiert, sollte unbedingt bei Max Orlich vorbeischauen. Er hat einen ganz besonderen Blick für und auf Alltägliches.
Und wer gerade in München ist, sollte sich keinesfalls die aktuelle Ausstellung von Peter Lindbergh entgehen lassen.

Thomas: Vielen Dank Andrea, für deine Bildstrecke und das Interview!

Andrea Kisslinger

Andrea Kisslinger (Foto: Alex Apprich)

Israel

Thomas Gauck: Steffen, vor Kurzem bist du von deiner zweiten Reise aus Israel zurück. Haben sich deine Erwartungen erfüllt?

Steffen Böttcher: Ja und nein. Ich wollte eigentlich tiefer in die Glaubensthematik einsteigen und habe nach kurzer Zeit gemerkt, dass sich der Fokus in Israel eher auf die Kirche und weniger auf den Glauben richtet. Ich bin weder getauft noch gläubig, hatte allerdings gehofft, ein wenig Spirit mitzunehmen. Das Gegenteil war der Fall. Mich hat der Zirkus dort am Ende doch eher kopfschüttelnd stehen gelassen. Auf der anderen Seite habe ich Ecken in Israel gefunden, die ich so nicht erwartet hatte. Die Negev-Wüste mit ihren Canyons hatte ich in dieser ausgeprägten Schönheit überhaupt nicht auf dem Zettel.

Thomas: Ist es von Vorteil, wenn man nach Israel mit einer gewissen spirituellen Grundhaltung reist, oder wäre die für eine Fotoreportage eher hinderlich?

Steffen: Ich glaube nicht, dass man das pauschal beantworten kann. Die Antwort muss sich jeder selbst geben. Mir ist meine, nur wenig ausgeprägte spirituelle Grundhaltung, dort eher verloren gegangen. Bei einer Fotoreportage sollte man ja eigentlich immer objektiv und mit gut ausgeprägter mentaler Distanz vorgehen, sonst wird es zu einseitig.

Thomas: Wie hat dich Israel spirituell, gesellschaftlich geprägt, wie die Negev-Wüste, das Tote Meer …?

Steffen: Ich gehe inzwischen gelassener mit dem israelischen Konflikt um und glaube, dass man hinnehmen sollte, dass eine Lösung in sehr weiter Ferne liegt. Ich habe dort Palästinenser zusammen mit Juden beim Plauschen beobachtet, habe gesehen wie sie völlig selbstverständlich und normal miteinander umgingen. Der Konflikt ist nur ein Teil des Landes. Leider rückt er immer wieder in den Fokus, dabei kann das Land so unglaublich viel, vor allem beeindrucken. Ich bezeichne die Situation dort gern als „Irritierend normal“. In jedem Fall ist es dort sehr sicher. Man hat nie das Gefühl in Gefahr zu sein.

Thomas: Ich kann mir vorstellen, dass man, wie bei anderen Reisen auch, in den ersten Tagen oberflächlicher sieht und fotografiert, als im Laufe der folgenden Tage oder Wochen – ist dies vielleicht auch der Grund warum du oft gleich mehrere Wochen am Stück verreist?

Steffen: Du begreifst ein Land nicht bei einem Zwei-Wochen-Pauschal-Trip. Oft stellt sich der Zauber erst ein, wenn du wirklich angekommen bist und dich auf das jeweilige Land komplett eingelassen hast. Ich habe auch gemerkt, dass ich vor allem dann die besseren Fotos mache, wenn mir ein Land so langsam auf die Nerven geht. Das ist oft nach 3-4 Wochen der Fall. Ich fotografiere dann nicht mehr das Offensichtliche, sondern finde immer mehr Zwischentöne.

Thomas: Was sind deine fotografischen Tipps zu Israel allgemein, zu Jerusalem im Besonderen, was muß man gesehen haben, was sollte man unbedingt vermeiden? Wie wird man von den älteren Isrealis als Deutscher wahrgenommen?

Steffen: Israel ist ein weltoffenes, demokratisches und sehr sicheres Land. Ich habe dort als Deutscher nie auch nur einen Hauch von Vorwurf oder Abneigung gespürt. Man sollte sich dort – wie in jedem anderen Land der Welt – respektvoll gegenüber der Kultur und dem Glauben verhalten. Mit der Jogginghose geht man nicht in die Kirche, Synagoge oder in die Moschee … Tel Aviv ist eine Schwulen- und Party-Hochburg und ist nur 45 min von Jerusalem entfernt. Ich glaube das sagt viel aus. Man sollte neben Tel Aviv und Jerusalem unbedingt in den Süden des Landes reisen. Die Negev Wüste und Eilat haben mich wirklich beeindruckt.

Thomas: Im Gegensatz zu Vietnam, wo du ja auch öfter bist, und 2016 erst wieder warst, ist das traditionelle jüdische Leben in Israel ausgeprägt mit religiösen Regeln belegt, während in man Vietnam durchschnittlich eher atheistisch lebt. Kann man diese Länder überhaupt in der Art gegenüberstellen? Wenn ja, ist dieser kulturelle Kontrast auch Grund deines Reiseturnus?

Steffen: Ich glaube das muss ich etwas zurecht rücken: Vietnam ist weder ausgeprägt glaubensfrei, noch ist Israel ausgeprägt jüdisch. Israel ist zwar ein jüdischer Staat, allerdings ist der Gesamteindruck des Landes nicht sichtbar religiös indoktriniert. Jerusalem ist der Schmelztiegel vieler Konfessionen, auch außerhalb der alten Stadt. Ich habe dort sehr weltoffene jüdische Jugendliche erlebt, mit denen ich gemeinsam das Channuka Fest gefeiert habe, von denen aber auch niemand mehr so richtig wusste, was man da eigentlich genau feiert. Und ich habe oft sehr nett und gut in arabischen Vierteln gegessen, von denen es dort nicht wenige gibt. Beide Welten – sowohl die jüdische als auch die arabische, bilden die Kultur des Landes und prägen es.

In Vietnam findet man Christen, Buddhisten, Muslime, Atheisten. Im Gegensatz zu Israel gibt es dort keinen Religionsstreit. Man geht gelassen mit der Religion des Anderen um. Der Hauptgrund meiner Reisen ist immer das Entwickeln eines Verständnisses für andere Kulturen und Lebensweisen. Nach vielen Jahren des Reisen kann ich sagen, dass sich sowohl meine Maßstäbe als auch mein Weltbild positiv verschoben haben. Die Menschen sollten mehr reisen. Dann gäbe es mehr Verständnis und weniger Kriege.

Thomas: Wie fotografierst du auf deinen Reisen, eher unbemerkt, oder offensichtlich? Wechselt das evtl.? Ich weiß, dass du einen kleinen Instax-Drucker dabei hast um das Eis zu brechen, und gleich Bilder dazulassen. Funktioniert das so auch in Israel?

Steffen: Israel ist touristisch gut besucht und es wird auf den Strassen sehr viel fotografiert. Man fällt nicht wirklich auf, wenn man mit der Kamera durch die Strassen zieht. Die Instax-Kamera habe ich vor allem in ärmeren Ländern dabei, weil ich den Menschen dort in gern etwas zurück gebe. Ich mag den Gedanken nicht, irgendwo anzuhalten, alles zu fotografieren und dann weiter zu fahren. Für mich ist ein Foto immer der Abschluss einer Begegnung.

Thomas: Hattest du auch dieses mal wieder fotografische Mitreisende dabei? Welche Skills erarbeitet man sich auf einer Reise mit dir, und wie kommt es, dass du Einen überhaupt mitnimmst, was muss man dafür im Vorfeld tun? Welche Reisen hast als nächste auf der Liste?

Steffen: Jeder, der offen und neugierig ist kann mitkommen, ich habe da keine „Mindestanforderungen“. Man sollte ein klein wenig leidensfähig sein und nicht auf Hemdenbügelservices in Hotels wert legen. Es geht neben der Fotografiererei auch immer um Kommunikation und Wahrnehmung…
In ein paar Wochen geht es für mich wieder für zwei Monate nach Vietnam. Ich bin dort wieder mit zwei verschiedenen Gruppen in den Bergen im Norden unterwegs. Im Herbst geht es dann erstmals mit einer Gruppe nach Schottland und im nächsten Jahr werde ich auch Israel mit in meine Workshop-Touren aufnehmen…

Thomas: Das Jahr 2016 ging gerade zu Ende. Fotografisch wurden wir in diesem Jahr in sämtlichen digitalen Medien berauscht wie nie. Der tägliche Stream an neuen Bildern, die gesichtet werden wollen, sei es von Portalen, Magazinen, Redaktionen oder ‚Buddies‘ ist immens, immens redundant und immens zeitfressend. Muss man die Mästung als Fotointeressierter hinnehmen, oder führt erst das gegenläufige Verhalten, nämlich qualitativ und selektiv zu fotografieren, den ganzen zielgruppengesteuerten Mainstream gar nicht zu beachten, zum Elixier guter Bilder?

Steffen: Ich kann hierzu nur einen Tipp geben. Hinterfrage, warum du eigentlich fotografierst. Die Antwort wird dir auch zeigen, wie du mit der Flut an Bildern umzugehen hast. Fotografie ist kein Wettbewerb sondern eine Möglichkeit zu zeigen, wie du die Welt siehst. Nicht mehr und nicht weniger. Also orientiere dich weniger an anderen sondern mehr daran, wozu du imstande bist.

Thomas: Viele wissen, dass man bei dir in der Lüneburger Heide (Buchholz) diverse Einheiten – Mind Classes, Hochzeitsfotografie, Einzelcoachings – buchen kann, um sich in der Fotografie, sicher aber auch darüberhinaus, in Selbstreflektion, in Authentizität, in Bildsprache und künstlerischer Stringenz schulen lassen kann. Mich würde interessieren, welches menschliche Feedback du aus den vielen Coachings gezogen hast, wie haben dich Sicht- und Verhaltensweisen von Teilnehmern überrascht; haben sich aus manchen Begegnungen vielleicht Freundschaften entwickelt – hat sich deine fotografische Arbeit in Konsequenz aus deinen Seminaren irgendwie subtil verändert? Ist eine Reise mit Steffen Böttcher eine erweiterte Mind Class?

Steffen: Ich habe eine Menge Freunde aus den Workshops und Coachings gewonnen. Auch nach Jahren habe ich ein sehr enges Verhältnis zu vielen meiner Teilnehmer. Vor allem aus meinen Vietnam-Trips sind enge Verbindungen entstanden. Zwei Wochen eng aufeinander in den Bergen Vietnams schweissen zusammen und man erfährt eine Menge voneinander. Gefühlt, könnte wahrscheinlich jeder Teilnehmer einer Tour bei jedem anderen aus dieser Tour Nachts um zwei Uhr klingeln und würde Einlass finden.

Wir beschäftigen uns ja schon viel mit der Psyche und ich werde oft zum fotografischen Seelenklempner. Eigentlich liegt das Problem bei vielen im immer nur im Vergleich. Es gibt einen Satz, den ich sehr schätze: „Des Glückes Tod ist der Vergleich.“ Viele Fotografen schauen sich permanent die Arbeit von anderen Fotografen an und leiten daraus ihr eigenes Unvermögen ab. Dabei wird oft vergessen, dass das was man da draußen an tollen Arbeiten sieht, die Spitze eines wundervollen Eisberges ist, der auf sehr vielen Versuchen und Niederlagen aufbaut. Für viele gehört Scheitern einfach nicht zum Prozess des Entwickelns dazu und sie sind sauer auf sich, wenn mal was nicht klappt. Dabei ist das völlig normal…

Thomas: Hin und wieder gibst du auch mal einen Musiktipp … die schätze ich sehr, weil sich dadurch Bilder nochmal verstärken können. Welche Musik hattest du zuletzt dabei, welche Bedeutung misst du selbst Musik während einer Foto-Produktion bei?

Steffen: Mich persönlich beflügelt Musik ungemein. Sie wird oft zum Soundtrack für das, was ich gerade tue. Deshalb habe ich unzählige Playlists für alle möglichen Zwecke und Situationen abrufbar. Das reicht von Klassik bis Punk… oft auch schräges Zeug. Bei der letzten Produktion lief… Moment ich schau mal… Ástor Piazolla.

Thomas: Herzlichen Dank Steffen für deine Bildstrecke aus Israel, bei der wir ein wenig mitreisen können und deine Zeit für das Interview!

Steffen Böttcher

Steffen Böttcher

Steffen Böttcher - Israel
Steffen Böttcher - Israel
Steffen Böttcher - Israel
Steffen Böttcher - Israel
Steffen Böttcher - Israel
Steffen Böttcher - Israel
Steffen Böttcher - Israel
Steffen Böttcher - Israel
Steffen Böttcher - Israel
Steffen Böttcher - Israel

Prag

Thomas Gauck: Hallo Daniel erzähle bitte etwas zu dir und zu deiner Welt der Fotografie?

Daniel Lauber: Ich bin Dan, Fotograf aus dem wunderschönen Münsterland. Seitdem mir 2010 eher zufällig eine Kamera in die Hände fiel hat mich das Fieber gepackt. Ich liebe es Menschen zu entdecken und dies in Bildern festzuhalten. Dabei bin ich manchmal stiller Beobachter, manchmal Regisseur und machmal einfach nur der Typ der mit Euch abhängt und aus Versehen eine Kamera dabei hat. Ich sehe Menschen. Wie wir alle. Jeder hat seinen eigenen Blick für Menschen, Dinge und Momente. Und ich halte dies in Bildern fest so wie ich sie eben sehe.
Im Sommer 2014 bot mir die Künstlergruppe „KunStoff“ aus Hamm an, eine Ausstellung in Ihren Räumen zu gestalten. Spätestens von dem Zeitpunkt ab wusste ich, dass ich das alles nicht nur für mich mache sondern auch andere gefallen an meinen Arbeiten finden. Im Oktober 2016 habe ich dann meinen ersten Bildband „loved and lost“ über den Ventura Verlag veröffentlicht und zum Release meine zweite Ausstellung „loved and lost“ im Foyer des SH Werne präsentieren können. Obwohl ich ausgesprochen gerne Outdoor und OnLocation fotografiere und da auch meine Stärken sehe, habe ich gemeinsam mit meiner Lebensgefährtin Leonique Lacroix – die ebenfalls Fotografin ist – das „Hinterland Studio“ in Coesfeld eröffnet.

Thomas: Ist das dann so, dass wenn du fotografierst, eine Serie von Portraits eher spontan entsteht?

Dan: Mehr oder weniger ja. Natürlich habe ich schon einen groben Fahrplan im Kopf. Aber ich mag es auch mich spontan leiten zu lassen. Zu schauen was mir die Protagonisten geben, bzw. was ich aus Ihnen rauskitzeln kann. Ich mag auch Spaziergang-Shootings. Da treffe ich mich mit den Leuten und gehe spazieren und fotografiere scheinbar beiläufig, ich hab schon des öfteren gehört, dass ein Shooting bei mir entspannt sein soll, weil wir viel quatschen und ab und wann halt ein paar Fotos machen. Das kommt aber natürlich auch ganz darauf an, wie die Zielsetzung ist, aber die Erfahrung zeigt es nicht nur entspannter, sondern am Ende auch zielführender ist einfach mal ein bisschen was zu reden, so erkennt man den Menschen gegenüber und es entsteht eine Basis auf der sich besser arbeiten lässt.

Thomas: Das kann ich gut nachvollziehen. Ich meine sogar, je häufiger man zusammen shootet, umso besser werden die Ergebnisse. Und da sehe ich auch einen großen Vorteil von freien Fotografen und ambitionierten Hobbyfotografen – die können sich viel mehr auf Menschen ‚einlassen‘. Du hast einen Fotoevent mit dem Namen Licht|Gestalten ins Leben gerufen, was hat es damit auf sich?

Dan: Natürlich kann man ein Model das man schon kennt, anders gegenüber treten, als Menschen die man gerade erst kennenlernt. Auf der anderen Seite begleite ich auch Hochzeiten und versuche dort auch eine Bindung aufzubauen und eine Gewisse Ruhe und Gelassenheit walten zu lassen.

„Licht|Gestalten“ ist ein Event das Leo und ich 2015 ins Leben gerufen haben. Die Idee stammt von daher, dass uns auf den üblichen Fototreffen/Stammtischen, oder wie auch immer man das nennt, zum einen sehr oft die Technik zu sehr im Vordergrund stand. Das langweilte mich sehr und machte diese Veranstaltungen wenig attraktiv. Zum anderem fanden wir auch die Idee toll, mehr als nur einen Nachmittag mit den Kollegen zu verbringen – Lichtgesalten geht von Samstag morgens bis Sonntag abends. Und die Praxis zeigte dann auch, dass total viel abends und nachts passiert, wenn man in tiefere Gespräche kommt oder nachts um 3 nochmal die Kamera aus der Tasche geholt wird. Ebenso die Möglichkeit morgens um 5.00 Uhr aufzustehen und im Morgengrauen gleich mehrere Modelle vor Ort zu haben. Dazu eingeladen haben wir Fotografen die wir kennen oder von denen wir den Eindruck haben, dass sie eine ähnliche Denkweise haben – 2015 ging das zu 100% auf. 2016 haben wir dann die „alten Hasen“ gebeten doch noch neue Kollegen vorzuschlagen, da wir nicht dahin wollten dass jedes Jahr exakt die selben Leute da sind. Auch „frisches Blut“ ist da eine tolle Sache und ich mag es neue tolle Leute kennenzulernen. Dieses Jahr wissen wir noch nicht genau wie es laufen wird, da Leo und ich zum üblichen Termin (Ende August/Anfang September) selber heiraten. Aber wir werden schon eine Lösung finden.

Daniel Lauber

Daniel Lauber (Patrick Beerhorst Photography)

Thomas: In Netzwerk-Events liegt ein enormes Potenzial. Jeder, der sich öffnet wird von Kontakten, Ideen und Motivation profitieren. Allerdings darf man nicht den Fehler machen, alles für sich selbst verbuchen zu wollen, was sich für andere als erfolgreich erwiesen hat. Ich meine, jeder ‚Aktive‘ braucht eine realistische Nische innerhalb seiner Region, wobei der Begriff ‚Region‘ ausdehnbar ist, ‚Nische‘ aber nicht. Dazu zähle ich Spezial-Techniken, besondere Zielgruppen und außergewöhnliche Vermarktung. Es gibt eine enorme Wirkkraft in der Verwendung von Varianten, erst Recht in der Bereitung eigener Wege. Umso weniger verstehe ich warum alles, aber auch wirklich alles kopiert wird: Models, Outfits, Locations, Kameratechnik, Bildlooks bis hin zur Präsentation. So werden doch niemals identifizierbare, einem Fotografen allein zuordenbare Bilder entstehen. Wie siehst du das, Dan?

Dan: Solange nur kopiert wird bleiben es Kopien. Auf der anderen Seite glaube ich, das alles was kreative Köpfe gestalten, beeinflusst wird von dem, was sie konsumieren. Daher ist es schon eine wichtige Frage mit was ich mich beschäftige und ich an mich ranlasse. Das Rad wird in der Fotografie – so wie in vielen anderen Dingen – kaum neu erfunden werden. Es entstehen jedoch neue Kreationen. Das ist auch der Grund wieso ich z.B. bei Facebook meine Timeline säubere. ich habe viele Fotografen nicht mehr abonniert, wenn ich der Meinung bin, das sie mich nicht weiterbringen und ich stöbere kaum noch in Facebook-Gruppen so wie ich es früher getan habe. Wirklich gute Arbeiten werden da kaum beachtet und kommt ein Anfänger mit vermeintlich misslungenen Fotografien um die Ecke, wird er seziert wie ein Truthahn bei Thanks Giving. Diese Negativität ist genauso ein schlechter Einfluß und das möchte ich soweit wie es geht, von mir wegschieben und mich lieber mit gelungenen Arbeiten beschäftigen. Und so ist es auch beim Netzwerken. Wenn ich merke, mein gegenüber bringt Passion mit, und hat Spaß an seiner Arbeit und am kreativ-sein und bringt eine Offenheit mit, kann das einen regen Austausch bedeuten, und da geht es nichtmal zwingend um Bildqualität sondern um die Heransgehensweise und Einstellung.

Um auf Licht|Gestalten zurückzukommen: Ich bin jedoch positiv überrascht, wie unterschiedlich zum Teil die entstandenen Arbeiten sind, obwohl Location, Modelle und teilweise auch das Outfit identisch sind.

Thomas: Ich wollte auch in keinster Weise deinen Event kritisieren. Wie fändest du die Idee, dass man sich bei Fotografen-Events ‚Hausaufgaben‘ erlost, ‚erwichtelt‘; also, man berät zunächst über mögliche Bildthemen, schreibt diese auf Zettel und lost diese aus. Jeder bekommt eine Portrait-Fotografie-Aufgabe, die er bis zum nächsten Treffen erfüllen muss. Zum einen würde das doch die Kreativität wieder auf die Sprünge bringen, zum anderen die Motivation, Qualität zu produzieren?

Dan: Hab ich nicht als Kritik aufgefasst – und selbst wenn, ist Kritik als solche ja auch nichts schlechtes. Die Idee, Themen zu „erwichteln“ hatte ich tatsächlich auch schonmal und bin mir nicht selber nicht zu 100% schlüssig ob das cool ist oder eher nicht. Auf der einen Seite wirst du in deiner Kreativität ja eingeschränkt, weil es Vorgaben gibt. Aber auf der anderen Seite kann ich mir vorstellen, dass der eine oder andere diese Vorgaben benötigt, um in diesem Rahmen eine Kreativität zu erschaffen. Zumal nicht vergessen werden darf – wenn es von der Hobby-Fotografie mal weggeht und ich von Kunden rede – dass diese auch Rahmen vorgeben und dies eine gute Übung ist. Am Ende kann ich das nicht beantworten. Vielleicht wüsste ich mehr wenn ich es mal versuchen würde .

Thomas: Wie stark ist die Fotografie zum Bestandteil deines täglichen Lebens geworden, und was sind deine nächsten und übernächsten Ziele?

Dan: Ein starker und großer Bestandteil. Meine Verlobte fotografiert ja auch und schon von daher ist vieles in dieser Richtung ausgelegt. Wenn wir in den Urlaub fahren, dann nicht ohne Kamera. Wir machen auch öfter kleine Roadtrips, um mal an anderen Locations zu fotografieren, so entstand z.B. auch die Serie mit Sofa und Julia in Prag. Aber auch im alltäglichen Leben zeigt sich das immer wieder, und sei es nur, dass ich durch die Strassen gehe und potentiell schöne Locations oder besondere Lichteinfälle sehe.

Wenn ich mal mit Freunden unterwegs bin die mit Fotografie nix am Hut haben und ich einfach mal ein „was n geiles licht heute“ raushaue, verursacht das schonmal Kopfschütteln. Aber so ist das: wenn man etwas liebt, ist es allgegenwärtig und ich bin irgendwann – ganz unabsichtlich – angefixt meine Umgebung ganz anders wahrzunehmen. Nach Lichteinfällen, Synchronizitäten, Fluchten oder Farben zu suchen. Die Sicht verändert sich. Meine nächsten und übernächsten Ziele: … aktuell beschäftige ich mich mit der Vorbereitung zu einer weiteren Ausstellung in der Hammer Kunstnacht die im Frühjahr stattfinden und wo ich mit anderen Fotografen zusammen in der Neonweisz Galerie ausstellen werde. Parallel dazu laufen jetzt im Winter organisatorische Dinge: Webseiten aufbauen oder neu ordnen, Pläne für 2017 schmieden, Abläufe in der Hochzeitsfotografie optimieren etc.

Langzeitziele: Irgendwann möchte wieder einen Bildband machen, aber das wird frühestens 2018 passieren. Erstmal muss ich dafür die richtige Idee haben woran ich arbeiten möchte. Aber das ist ein kreativer Prozeß der von selber kommt, da bin ich mir sicher. Das war bei „loved and lost“ genauso. Grundsätzliche Ziele: weiter Spaß daran haben was ich tue, möglichst immer besser werden und neue Dinge probieren.

Thomas: Für welche Aufträge kann man dich fotografisch buchen?

Dan: In erster Line für Hochzeiten, Business und private Portrait-Shootings. Aber auch Promobilder von Künstlern oder Events decke ich ab. Das wechselt auch immer ein wenig, je nachdem welche Anfragen da sind und welche ich bedienen kann und möchte. Im letzen Jahr z.B. hat die Hochzeitsfotografie einen riesigen Teil meiner Arbeit eingenommen, was ich großartig fand. Ich mag die Herausforderung und auf einer Hochzeit bist du ja in vielen Disziplinen gefragt – und wenn du zudem noch die Möglichkeit hast dokumentarisch dabei unterwegs zu sein, macht das einen Riesenspaß – bei aller Verantwortung die du da trägst. Wir sind da aber gut aufgestellt. So unterschiedlich Leo und ich bei unseren „privaten“ Arbeiten auch sind, so gut ergänzen wir uns bei Hochzeiten und wenn immer möglich, gehen wir zu zweit los.

Thomas: Du meinst … technisch gut aufgestellt?

Dan: Nein, Technik interessiert mich nur sehr sekundär. Ich meinte eher, dass Leo und ich in Sachen Hochzeitsfotografie inhaltlich gut aufgestellt sind. Wir haben ein klares Konzept, gehen einen straighten Weg der vielleicht den ein oder anderen Kunden „vergrault“, uns aber dafür die Kunden bringt die unsere Arbeit wertschätzen und uns genau dafür buchen was wir tun. Ausserdem sind wir nach zwei gemeinsamen Hochzeitssaisons gut eingespielt. Darauf war das bezogen. Technik hat für mich keinen besonders großen Stellenwert.

Thomas: Dan, kannst du uns bitte ein paar Worte zu den eingesandten Bildern sagen …?

Dan: Die Bilder sind für mein Buch „loved and lost“ entstanden, das ich im Oktober 2016 veröffentlicht habe. Wir waren mit Sofa und Julia dazu in Prag und haben die Strassen unsicher gemacht. Mir war es gar nicht so wichtig, dass man „unbedingt Prag“ erkennt aber es sollte sich schon unterscheiden, von dem was hier möglich wäre. Durch die Wände, Schattenspiele der Laternen etc. kam das für mich schon genug zur Geltung. Wir waren vier Tage vor Ort und es hat wirklich bis zum dritten Tag gedauert bis ich die ersten Bilder gemacht habe die mir gefallen haben, du kannst dir vorstellen das ich am zweiten Tag echt schlecht gelaunt war, weil so gar nichts klappen wollte. Zu viele Touris, kein Gutes Licht etc. Erst als ich mich selbst wieder runtergefahren habe, fing ich an gute Bilder zu machen. Mir fehlte die Entspanntheit weil ich die Bilder als extrem wichtig für das Buch erachtet habe und und wenige Wochen später Abgabetermin war.

Thomas: Da habt ihr ganz schönen Aufwand betrieben! Fotografisch sind doch Tschechien, Polen und so weiter noch immer sehr ergiebig, oder? Ich denke, je mehr man aus den Stadt-Zentren fährt, desto besser wird die Szenerie. Zumindest habe ich einige Orte in Tschechien noch so aus den 90ern in Erinnerung – aber welche Tipps kannst du an Portrait-Fotografen geben, die ‚hinter der Grenze‘ tolle Locations suchen, welche Ortschaften sind toll – muss es gleich Prag sein, oder geht auch eine kleinere Stadt? Und muss man irgendwie besonders in Prag achten, wo man besser nicht fotografiert – oder ist das Humbug.

Dan: Ich kann nicht von Polen reden, aber ich denke, da ist es nicht viel anders. In Tschechien gibt es jede Menge cooler Spots. Wir haben mit Julia und Sofa den Weg gewählt tatsächlich in der Prager Innenstadt anzufangen und das war auch nicht wirklich ergiebig. Erst als wir früh morgens und in den Abendstunden in die Seitengassen gelaufen sind, ergaben sich gute Möglichkeiten. Während die Prager Innenstadt sehr touristisch erschlossen ist und alles in prunk und Glanz steht, sind die Vororte auch sehr interessant da noch sehr sozialistisch geprägt und oft heruntergekommen, was zumindest mir sehr entgegenkommt. Im Nachhinein hätten wir mehr in den Vororten fotografieren sollen.

Von Einschränkungen bzgl. fotografieren kann ich nicht berichten, ich hab da fotografiert wo ich wollte und es hat nie Jemand Anstoß daran genommen. In London beispielsweise ist das anders, seit dem Anschlag sind die Londoner sehr empfindlich was das Fotografieren von Gebäuden angeht. Wir waren jetzt zwei mal in Prag und werden sicherlich nochmal hinfahren, und dann auch mit dem Fokus auf die Vororte ;-)

Thomas: Die Bilder von welchen prominenten Portraitfotografen sind für dich ein Anhaltspunkt, … eine ‚Augenweide‘?

Dan: Da gibt es eine Reihe toller Fotografen die ich nennen könnte. Anton Corbijn zum Beispiel oder Alexander Bergström finde ich großartig. Aber auch Bruce Gilden, Emily Soto, Ellen von Unwerth oder Ryan Muirhead machen tolle Fotos, auch wenn sich nicht unbedingt Anhaltspunkte der Arbeiten dieser Leute in meinen Arbeiten wiederfinden.

Thomas: Dan, ich danke dir sehr für das Interview und den Einblick in deine interessanten Bildwelten. Wer also mal ein Sofa auf einem Transporter sieht … denkt dran, es könnte Dan sein!

Daniel Lauber - Fotografie in Deutschland FiD
Daniel Lauber - Fotografie in Deutschland FiD
Daniel Lauber - Fotografie in Deutschland FiD
Daniel Lauber - Fotografie in Deutschland FiD
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Daniel Lauber - Fotografie in Deutschland FiD
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Daniel Lauber - Fotografie in Deutschland FiD
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Life is analogue

Klick!

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Mein Leben und Ich

LichtReize

Thomas Gauck: Hallo Holger, tolle Sachen kann man in deinem LichtReize-Portfolio finden, manchmal etwas dark, immer aber raffinierte, abwechslungsreiche Portraits, die wirklich Lust machen mehr zu sehen. Wie würdest du selbst deinen Portrait-Stil bezeichnen?

Holger Nitschke: Erst einmal vielen Dank für Dein Lob! Ich selber kann mich nur sehr schwer stilistisch einordnen. Von Aussenstehenden habe ich aber schon des Öfteren gehört, das man meine Bilder wiedererkennt bzw. mir zuordnen kann, was mich natürlich freut. Also: ich denke alle Motive verbindet ein gewisses Maß an Distanz bzw. auch eine Dosis Melancholie. Ich mag es bei Bildern „zwischen den Zeilen“ zu lesen – die Bezeichnung „die Ausdrucksstärke der Ausdruckslosigkeit“ trifft es gerade bei Portraits ziemlich genau auf den Punkt. Lachen kann jeder, ich mag meine Modelle gerne fast schon Puppenhaft inszenieren, dabei sollen sie aber auf keinen Fall schwach oder hilflos erscheinen – eher Distanziert/Kühl oder in sich gekehrt.

Thomas: Wer sich dein Portfolio näher ansieht, wird schnell feststellen …: Du bist unglaublich schaffensreich – das ist mal fakt, würde ich meinen. Und dabei bist du doch noch hauptberuflich ganz anders aufgestellt. Wieviel Zeit gönnst du deiner Fotografie, wie kommst du zeitlich rum, wie integrierst du die Fotografie in deinen Alltag – gibt es da zeitliche Regeln?

Holger: Ja, ich denke das ich fotografisch schon ein ziemlicher Workaholic bin – die Fotografie (und die dazugehörende Bearbeitung und das leidliche Social-Media) fressen nahezu meine komplette Freizeit auf. Im Durchschnitt haben wir 2 bis 3 Foto-Sessions im Monat, welche immer am Wochenende stattfinden. In der Woche bin ich voll berufstätig, der Feierabend geht dann für das schon erwähnte Sortieren/Bearbeiten/Publizieren drauf. Auch wenn es manchmal etwas viel wird, kann ich doch nicht ohne. Falls mal drei Wochenenden nacheinander kein Termin stattfindet, juckt es mir schon in den Fingern. Zeitliche Regeln gibt es nicht wirklich, ab und zu muss ich mich selbst (oder meine Partnerin mich) aber schonmal vom Rechner wegzerren.

Thomas: Wie gehst du mit dem Erreichten um, bist du selbstkritisch und löschst auch mal Bilder wenn sie dir deinem heutigen Standard nicht mehr genügen, oder ist es dir gerade recht, wenn man eine Progression erkennt?

Holger: Ich schätze mich als ziemlich selbstkritisch ein, gerade ziemlich alte Bilder sind inkompatibel gegenüber meinem aktuellen Geschmack. Ich denke das ist ein natürlicher Prozess, wer will schon auf der Stelle treten? Mein Stil oder auch die Wahl der Modelle hat sich vor einigen Jahren (2010/2011) ziemlich stark verändert. Es gibt aber auch immer noch einige Bilder aus meinen Anfangszeiten, die ich auch heute noch sehr gern mag, bzw. zu ihnen stehe.

Holger Nitschke

Thomas: Bei der Wahl deiner Modelle – und das denke ich sieht man – bist du ebenfalls extrem sorgfältig, denn im Prinzip sehe ich da immer Personen, die durch ihre Persönlichkeit dem Bild Tiefe geben. Klar wird die Tiefe auch durch andere Komponenten wie Bildlook, Location und dein handwerkliches Können als Fotograf erreicht, aber es sind eben auch die Menschen mit ihrer sehr eigenen Ausstrahlung ohne die ein Holger-Nitschke-Bild sicher so nicht wirken würde. Wie gehst du bei der Wahl deiner Protagonisten vor? Ist da erst der Kontakt zum Model und dann die Bildidee, oder suchst nach Typen die deinem Bildkonzept gerecht werden – und, was mich noch sehr interessieren würde, wie sorgst du dafür dass ein Model sich dermaßen mit einem Sujet, einer Idee identifiziert, insofern dass ein Portrait zum Kunstportrait wird – ich denke da zum Beispiel an Bilder wie ‚Lost Rivers‘, ‚Empty Bridges‘, ‚Dismissed‘ oder ‚Last Days‘ – das sind ja typische Arbeiten von dir, die wie Standbilder aus einem David Lynch-Film wirken?

Holger: In den meisten Fällen läuft die Wahl der Modelle über das Internet ab – ich und meine Partnerin Ilka (die ja das Styling macht) schauen recht viel in Model-Karteien und auch sozialen Netzwerken nach neuen Gesichtern, aber auch auf der Straße haben wir schon das ein oder andere potentielle Modell angesprochen. Unser Geschmack ist recht ähnlich: Posingerfahrungen sind nicht immer so wichtig, der Ausdruck ist das, auf was es mir ankommt. Ich kann auch gar nicht so genau beschreiben, was es ist – entweder jemand passt in das Konzept oder nicht. In den Anfangsjahren habe ich mich primär anschreiben lassen, in letzten Jahren bin ich mehr dazu übergegangen, selber spannende Modelle zu Kontaktieren.
Ein wirkliches Konzept gibt es nicht immer: ich improvisiere gern und lasse mich durch meine Modelle inspirieren. Klar, es gibt auch geplante Settings für die ich gezielt Modelle suche, aber oftmals lasse ich ein Shooting auch gerne einfach nur geschehen. Das ganze Leben ist so durchgeplant und durchorganisiert, gerade der Freiraum bei einem Shooting ist mir sehr wichtig.
Vor der Zusammenarbeit werden in der Regel Moods in Bilderform ausgetauscht, aber nicht um die Bilder zu kopieren, sondern um eine „Linie zu finden“ bzw. damit ich dem Model meine Vorstellungen was die Bildstimmungen / den Ausdruck angeht rüberbringen kann.

Thomas: In deinem Portfolio gibt es Bilder, die indirekt eine filmische Handlung erzählen, zumindest in der Phantasie. Ich denke, das ist das bestmögliche Resultat guter Portraitfotografie. Reizt es dich deine Arbeit eines Tages auf den Film, vielleicht den Kunst-Kurzfilm auszuweiten, oder siehst du eher in der Verdichtung auf den Moment die Herausforderung in der Portraitfotografie – oder wie siehst du das generell?

Holger: Vielen Dank für das indirekte Lob – es freut mich sehr das Du erkennst, daß ich schon des Öfteren versuche Filmszenen „nachzustellen“ bzw. Bilder mag die, aus Filmen zu stammen scheinen. Ich liebe stylische Filme und auch Musikvideos: wenn es nur meine Zeit zulassen würde, hätte ich bestimmt schon angefangen mich näher mit dem Filmemachen und der dazugehörigen Bearbeitung zu beschäftigen. Ich finde das ein sehr spannendes Thema, allerdings fehlt mir wie erwähnt einfach die Zeit und ich konzentriere mich derzeit lieber weiter auf die Fotografie.

Thomas: Und aus Bücher-machen? Für die, die es noch nicht wissen: Du hast einen Bildband herausgebracht, mit dem Titel ‚time flies‘. Erzähl doch mal, wie ist der entstanden, was ist darin zu sehen – und wie kommt man zu dem?

Holger: Was viele vielleicht nicht wissen, es gab schonmal einen LichtReize-Bildband – und zwar 2011 zur damaligen Ausstellung in Oldenburg. Seit 2011 hat sich meine Arbeitsweise und auch die Modelwahl ziemlich verändert, was einen neuen Bildband in etwas größerer Auflage unabdingbar machte. Es macht mir auf jeden Fall auch sehr viel Spaß ein Buch zu „Layouten“. Das Buch beinhaltet auf 100 Seiten viele Arbeiten aus den Jahren 2011 bis 2015, die mir selber sehr am Herzen liegen.
Das Buch kann direkt über mich bezogen werden – z.B. per eMail (holger@lichtreize.com) – auf meiner Homepage (www.LichtReize.com) sind auch noch mehr Informationen dazu zu finden.

Thomas: Welche Software bzw. Anbieter hast du zur Erstellung des Buches benutzt?

Holger: Die Druckvorlage habe ich selber mit Adobe InDesign erstellt. Das Buch wurde bei Viaprinto gedruckt.

Thomas: welche Erfahrungen hast du denn in der Realisierung von Ausstellungen gesammelt, was sind deine wichtigsten Erkenntnisse daraus?

Holger: Ausstellungen sollten lange im Voraus geplant und überaus eifrig beworben werden. Inzwischen läuft ein Großteil der Werbung ja über soziale Netze Facebook/Instagram. Da kann man ja auch direkt eine Veranstaltung erstellen und die Leute einladen. Man sollte sich darüber bewusst sein, daß Ausstellungen in eigener Regie fast immer ein finanzielles Verlustgeschäft darstellen. Darüber hinaus kann eine Ausstellung aber sehr viel Spaß machen, es ist halt was anderes sich „Real“ als nur im Netz zu präsentieren.

Thomas: Fotografierst du eigentlich nur digital, oder hast du ein analoges Schätzchen … ?

Holger: Bisher fotografiere ich ausschliesslich digital. Hier liegt allerdings noch eine einsatzbereite Polaroid-Kamera sowie die alte Voigtländer von meinem Vater. Beide plane ich schon länger einmal bei einem Shooting einzusetzen ;-)

Thomas: Bei deinen Portraits könnte ich mir einen analogen Look sehr gut vorstellen … Wo siehst du dich fotografisch in ca. 10 Jahren? Was sind diene mittelfristigen Ziele? Lassen sich die irgendwie festmachen, oder oder bist du agil genug um der Freude Vorrang zu gewähren?

Holger: Ja, ich mag den analogen Look sehr gerne. Die Zukunft: ein schwieriges Thema. Ich kann dazu leider zur Zeit wenig sagen bzw. befinde mich da im Umbruch. Verzeih mir bitte das ich dazu zur Zeit keine genaueren Aussagen tätigen kann. Eines steht jedoch fest: Fotografieren werde ich in 10 Jahren bestimmt immer noch. Ich denke nicht das ich die Hingabe, die ich für die Fotografie habe, irgendwann einfach hinschmeissen kann.

Thomas: Das freut uns Holger! Sag mal, du bist ja verschiedensten Platformen ziemlich aktiv … Wo hältst du dich am liebsten auf und warum?

Holger: Relativ viel Neues zeige ich bei 500px und so langsam auch immer mehr bei Instagram. Aktuell habe ich mich auch bei 1x angemeldet, gerne präsentiere ich auch bei Behance, gerade weil die Qualität dort noch relativ hoch ist und es dort wirklich spannende Arbeiten zu entdecken gibt.

Thomas: Gibst du viel Geld für Equipment aus – was besorgst du dir aus welchem Antrieb heraus, bzw. welche Technik setzt du ein? Lässt du dich von neuer Fototechnik in irgendeiner Form beeinflussen?

Holger: In den letzten Monaten habe ich schon recht viel für ein neues System ausgegeben – ich setze jetzt vermehrt auf ein spiegelloses System (Fuji). Die DSLR war mir einfach inzwischen zu sperrig – gerade bei Outdoor-Aufnahmen nervte mich die Schlepperei. Ich mag es gern etwas puristisch: am meisten Fotografiere ich mit einer kleinen, unscheinbaren 35er Festbrennweite. Auch setze ich für Outdoor-Aufnahmen keine externen Lichtquellen oder Lichtformer ein, höchstens mal einen Reflektor um ein paar ungünstige Schatten aufzuhellen. Ich interessiere mich schon für Technik, allerdings denke ich das man für ausdrucksstarke Bilder auf vieles auch einfach verzichten bzw. einem die Technik auch schnell vom eigentlichen Motiv ablenken kann.

Thomas: Was ist dein Rat an junge Fotografen um einen eigenen Weg zu finden?

Holger: Macht geile Bilder! :-)

Couchsurfing

Thomas Gauck: Daniela, erzähl uns doch etwas über dich? Woher kommst du, was machst du so?

Daniela Benzin: Ich bin 31 Jahre jung und wohne in einem kleinen aber feinen Städtchen 30km südlich von Nürnberg, Hilpoltstein. Beruflich bin ich im öffentlichen Dienst tätig und verbringe meine Freizeit am liebsten draußen in der Natur.

Thomas: Das heißt, du fotografierst/portraitierst gerne outdoor?

Daniela: Absolut. Da ich einen natürlichen Bildstil bevorzuge und ich dazu nur vorhandenes Licht verwenden möchte, bietet sich das sehr gut an. Bei schlechtem Wetter oder bei sinnlicheren Bildern bin ich aber auch gern mal drinnen. Es kommt da auch immer darauf an, wen ich und welches Thema ich fotografieren möchte.

Thomas: Dennoch portraitierst du auch gerne mal indoor – wie deine Serie Couchsurfing zeigt …?

Daniela: Die Serie ist in den ISO-Studios in Leipzig entstanden. Bei meiner Shootingtour in Leipzig wollte ich unbedingt dieses Studio besuchen. Ein bestimmtes Model hatte ich dazu dann auch schon im Kopf.
Das Studio 70 ist recht hell und war genau passend für meine available Light Aufnahmen. Im Studio stand dann diese Couch und so hat sich das mehr oder weniger ganz zufällig ergeben.
Lustigerweise waren wir uns wegen dem Muster und der Farbe des Bodys nicht so sicher aber wie sich im Nachhinein zeigt, harmonieren die Farben ganz wunderbar miteinander.

Daniela Benzin

Thomas: Du kommst gerade aus Schweden, richtig? Erzähl mal – hast du dort auch Portraits fotografiert?

Daniela: Ich war in Südschweden, genauer gesagt in Skåne unterwegs. Ich habe dort keine Portraits fotografiert. Dadurch, dass ich nun einen anderen Schwerpunkt habe, war das für mich nicht mehr interessant. Außerdem wollte ich diesmal keinen Fotourlaub machen sondern einen Urlaub mit ein paar schönen Fotos :-)

Die Landschaft dort ist einfach so entspannend, ruhig und gleichzeitig schön, dass ich kein Gesicht brauche um etwas festzuhalten.

Thomas:  Du hast mir mal gesagt, dass du deinen Portrait-Stil komplett ändern wirst. Was waren die Auslöser dazu und in welche Richtung möchtest du dich verändern, Daniela?

Daniela: Es gab eigentlich schon immer „Auslöser“, das Machen und Überwinden ist eher das Problem. Ich habe angefangen zu fotografieren, bin bei Portraits hängen geblieben und habe mich wohlgefühlt. Doch das ständige Suchen nach neuen Gesichtern und Persönlichkeiten, die man im Nachhinein dann überall sieht hat mich irgendwie frustriert. Auch wenn man dann irgendwie immer dasselbe sieht.

Der größte Auslöser jedoch bin/war ich selbst. Die Fotografie ist ein kreativer Teil von mir und deshalb will ich Bilder machen, die auch einen Teil von mir zeigen. Hübsche Gesichter bringen mir einfach nichts mehr, denn was hat dieses Bild mit mir zu tun?

Meine neue Richtung wird nackter und weniger gesichtsreduziert. Nackt deshalb, weil es dem Bild die nötige Tiefe verleiht und weniger Gesicht, weil es auf das Gesamtbild ankommt. Ich bin emotional, tiefgründig, mags schon immer etwas dunkler und melancholischer und will, dass man das auch sieht. Zudem will ich mich etwas vom digitalen Hype entfernen und zukünftig meine Serien auf analogen Film bannen. Das gibt dann meinem neuen Schwerpunkt noch den letzten Schliff.

Thomas: Wie sind deine Erfahrungen mit der analogen Fotografie … welche Kamera(s) und Film(e) verwendest du, wo läßt du entwickeln und warum dort? Was begeistert dich an der analogen Fotografie besonders?

DanielaIch liebe Film. Ich liebe die Überraschung und das ‚Klicken‘. In meiner Jugend habe ich schon meine Canon AE-1 Program und die Canon EF mitsamt lichtstarker Objektive bekommen. Damals konnte ich leider nichts damit anfangen und mir war das alles zu kompliziert.
Nach meinen digitalen Anfängen 2012 kam dann so nach und nach der Gedanke die analogen Kameras rauszuholen und zu schauen wie das denn funktioniert. Und mittlerweile freue ich mich wirklich sehr, dass ich so wunderbare Stücke in meinem Besitz habe. Meine Lieblingskamera, die ich meistens dabei habe, ist die Canon AE1-Program. Mit dieser mach ich 90 % meiner analogen Bilder. Auch habe ich meine ganzen Reisen z. B. Norwegen, Cuba und jetzt Schweden mit ihr fotografiert. Ich weiss gar nicht, wie oft ich mit der Kamera schon wogegen gelaufen bin und der Objektivdeckel ist mir bestimmt auch schon hunderte Male runtergeflogen, sogar im Flugzeug. Aber die alten Kameras sind hart im nehmen und das mag ich.
Abgesehen davon fotografiere ich noch mit der Canon EF. Habe aber noch ein paar andere Kameras zuhause z. B. eine Exa, Minox, Arette 1B und Braun Paxette. Eins meiner Lieblingsstücke ist auch noch meine Mittelformat die Zenza Bronica ETRS. Mittlerweile bringen auch Bekannte mir Kameras vorbei, die aus einem Nachlass auftauchen oder einfach nicht mehr gebraucht werden.

Bei Filmen experementiere ich noch so ein bisschen bin aber bei Ilford und Kodak hängen geblieben. Ich liebe den Ilford HP5 und den Kodak Portra 160. Jedoch habe ich für Schweden z. B. den Ektar 100 genommen. Ab und an probiere ich auch abgelaufene Filme aus und lass mich einfach überraschen. Es kommt auch immer stark darauf an, was ich fotografieren möchte. Da ich mit meinen Serien mich nun mehr in der s/w Schiene bewege, fühle ich mich aktuell mit einem Ilford gut aufgehoben.

Entwickeln lasse ich aktuell bei MeinFilmLab, die in Hürtgenwald ansässig sind. Es ist unkompliziert, die Leute unterstützen einen und man hat das Gefühl dort gut aufgehoben zu sein.
Irgendwie freuen sich alle mit, wenn man einen Film schickt und auf die Ergebnisse wartet. In Nürnberg gibt es aber auch ein Labor für s/w Filme und das werde ich mal besuchen. Ich würde sehr gerne meine Filme selbst entwickeln in der Zukunft.

Die analoge Fotografie hat was zeitloses und keinen doppelten Boden. Es ist so wie es ist. Und es ist wunderbar entschleunigend. Zudem wählt man sorgfältig Momente aus und Film hat einfach einen gewissen Charme.

Bei mir ist das einfach so. Es gibt zwar iBooks aber ich habe gerne noch Bücher in der Hand und rieche die Seiten. Man kann Musik online kaufen oder auf CD aber richtig geile Alben hole ich mir auf Vinyl. Ich kann mit nem fetten Reisemobil in den Urlaub fahren aber ich war mit nem T3 stilecht unterwegs. Und so ist es mit der analogen Fotografie. Klar, kann ich digital fotografieren, aber richtig Spaß hab ich erst mit nem Film in der Hand :)

Thomas: Im Raum Nordbayern kennt man dich auch, weil du regelmäßige Gruppentreffen organisierst – Treffen, bei denen die Anonymität fällt und Fotografen untereinander sowie mit potenziellen Portrait-Modellen ins Gespräch kommen können. Wie kam es dazu?

DanielaDas kam damals aus der Not heraus. Ich war Anfänger und wusste nicht wie ich an potentielle Models kam. Eine entsprechende Gruppe habe ich bei Facebook nicht gefunden also hab ich erst einmal selbst eine gegründet. Am Anfang waren wir auch nicht viele Leute, doch mittlerweile sind wir gut über 1.000 und bei den Treffen (quartalsmäßig) sind immer zwischen ca. 25 und 30 anwesend. Jedesmal gibt es neue Gesichter und das Netzwerk vergrößert sich ständig. Ich bin für ein Miteinander, statt ein Gegeneinander und so helfen wir uns gerne gegenseitig. Es freut mich jedesmal, wenn anschließend positives Feedback kommt, gemeinsame Shootings entstehen und der ein oder andere mal ein Gesicht zu einem Namen hat. So kann man viel leichter auf Leute zugehen und unverbindlich ins Gespräch kommen.

Thomas: Wie ist es aus deiner Sicht, konkurrieren lokale Foto-Aktivisten (Fotografen benenne ich sie nicht) eher untereinander, oder sich ist die Szene durchwegs freundschaftlich gesinnt – ich denke, du kannst aus beiden Seiten berichten?

DanielaDas ist eine relativ schwierige Frage. Kommt auf die Sichtweise von ‚konkurrieren‘ an. Eigentlich haben wir hier in Franken schon ein sehr gut funktionierendes Netzwerk. Jedoch hat man natürlich immer ein paar „spezielle“ Leute, die es einem nicht einfach machen. Ich fokussiere mich jedoch da hauptsächlich auf mich und lasse das nicht mehr so an mich ran. Mir ist der Austausch und das Netzwerken mit anderen Foto-Aktivisten sehr wichtig und ich bin stets bemüht auf alle Rücksicht zu nehmen. Jedoch können wir hier in Franken schon recht eigen sein. Kontakte knüpfen fällt mir im Osten wesentlich einfacher als hier zuhause. Woran das wohl liegen mag? Trotzdem schätze ich hier unser Netzwerk sehr und freue mich darüber, dass wir überhaupt eins haben.

Thomas: Vielen Dank Daniela, wir freuen uns auf deine neuen Bilder!

Isa

Queen

Thomas Gauck: Hendrik, deine Arbeiten sind auffallend anders, künstlerisch und grafisch – siehst du dich eher als Fotograf oder Fotodesigner, erzähl uns doch bitte etwas über dich?

Hendrik Eckenheimer: Als Kind habe ich oft meinen Vater dabei beobachtet, wie er in seinem eigenen kleinen Fotolabor mit Hilfe geheimnisvoller Tinkturen und zahlreicher Apparaturen Bilder auf weiße Blätter zauberte. Im schummrigen Licht verfolgte ich gebannt die Magie des Lichts und der Chemie. Mit meiner ersten eigenen Kamera fing ich dann vor allem Strukturen ein, wie Baumrinde, Straßenpflaster, Kieswege oder Häuserwände, nur um in der Dunkelkammer neugierig verfolgen zu können, wie sich durch die chemischen Prozesse die Muster und Farben veränderten. Den richtigen Umgang mit der Kamera, den Einfluss von Blende, Belichtungszeit und Lichtempfindlichkeit auf das Foto, hatte ich erst als Erwachsener richtig erlernt.

Die entscheidenden Momente in meinem künstlerischen Schaffen sollte jedoch die Entwicklung der digitalen Fotografie liefern. Die Bilderflut in den zahlreichen Internet-Fotoforen führte mir jedes Mal deutlich vor Augen: Egal welches Motiv ich wählte oder wie ich es darstellte, alles ist bereits fotografiert worden. Es gibt den Pariser Eifelturm in allen Bildvarianten, zu allen Tages- bzw. Jahreszeiten. Nun veränderte ich meine Fotoarbeiten am Computer, fügte Strukturen ein und arbeitete sogar mit Stift und Pinsel auf den Ausdrucken. Plötzlich saß ich wieder in der Dunkelkammer, wenn auch nicht im Sinne der analogen Fotografie. Der Prozess der Bildentstehung, das Kreieren, das Verändern der Bildwirkung mittels Farben und später dann auch das Einbringen von echter Malerei beeindruckte mich zutiefst.

Die eigentliche Fotografie ist für mich somit in den Hintergrund getreten. Sie ist ein Teil meiner Arbeit, wenngleich auch immer noch ein sehr wesentlicher. Heute verwende ich Kamera, Pinsel, Stift, Computer und benötige einige Stunden oder manchmal auch Tage bis ein Werk fertiggestellt ist.

Thomas: Und diese Techniken machen deine Bilder so interessant! Von welchen Kräften lässt du dich bei der späteren Bildentstehung leiten? Hast du schon beim eigentlichen Fotografieren eine Vorstellung der späteren Bearbeitung, lässt du dich rein von gestalterischen Aspekten leiten, oder spielen bei der Bearbeitung auch psychologische Aspekte – oder private Beziehungen zum Motiv mit – du erwähntest bei der Einsendung deiner Bilder, nämlich, dass die Titel sehr wichtig sind …?

Hendrik:
Inspiration finde ich häufig in den Künsten, vor allem in der Musik. Ich mag Opern und nicht selten bin ich nach einem Opernbesuch im Malraum verschwunden um neue Bildideen zu skizzieren. In vielen Fällen habe ich eine konkrete Idee, an dessen Umsetzung ich dann auch konsequent arbeite. Die hier vorgestellte Serie ist auch so entstanden. Ein befreundetes Model hatte mir bei der Umsetzung der Fotos geholfen. Die grafischen Arbeiten erfolgten kurze Zeit später.

Doch nicht immer ist solch ein zielgerichtetes Arbeiten möglich. Gerade in der grafischen Phase gerät vieles in Bewegung, der eigentliche Schaffensprozess reißt mich mit, neue Ideen tauchen auf und es entwickeln sich mehrere Wege eine Geschichte zu erzählen. Daher liebe ich auch die Arbeit mit Serien, denn sie ist besonderes herausfordernd. Man steht vor der Aufgabe ein Motiv oder eine Idee zu variieren. Die Bilder müssen einen Wiederkennungseffekt besitzen ohne dabei langweilig zu werden. Dieser Zwang, sich intensiver mit einer Bildidee zu beschäftigen, ist sehr belebend, setzt kreative Kräfte frei und hilft mir mich auf ein Grundmotiv bzw. auf eine grafische Gestaltung zu konzentrieren.

Alle meine Werke haben eine emotionale Ebene. Sie ist die Grundsubstanz der Bildaussage, aber auch der Treibstoff zur Entstehung der Bilder. Ich kann kein Werk gestalten ohne Leidenschaft und echte innerliche Beziehung zu Motiv und gewünschter Bildaussage. Deshalb sind mir Titel auch wichtig, sie weisen dem Betrachter einen schmalen Pfad für eine Interpretation. Wenn diese Leidenschaft fehlt, versiegt auch die Inspiration und ich verliere die Lust am Gestalten. Ich habe immer wieder Phasen, in denen nichts Neues entsteht. Dann bleibt jedoch immer noch die pure Fotografie. Gern nehme ich dann meine Kamera in die Hand und begebe mich wieder auf die Suche nach Strukturen, Farben und Mustern. Trotz allem bleibe ich dann der traditionellen Fotokunst verhaftet.


Hendrik Eckenheimer


Thomas: Die Erklärung mit ‚… dem schmalen Pfad zur Interpretation …‘ gefällt mir sehr! Als (Foto)Künstler braucht man kreative Einflüsse, gibt sie aber als gestalterische Kraft wieder an den Betrachter weiter, und ich meine, gerade bei deinen Arbeiten, auch bei den portraitlosen Bildern, gibt die serielle Sichtweise in Verbindung mit den Titeln eine Ahnung deiner Intention. Ich hab vor ein paar Jahren deine Arbeiten, ich glaube in Facebook – oder war es woanders – gesehen und war total begeistert über deren ätherische Wirkung, deren Synthese aus Grafik und Fotografie. Deine Bilder mach Lust auf mehr – hast du eigentlich keine Website, oder wo kann man deine Bilder möglichst umfassende sehen? In dem Zusammenhang interessiert mich auch, ob die deine Arbeiten auch ausdruckst und ausstellst?

Hendrik: Vor etwas mehr als einem Jahr habe ich mich aus dem Internet zurückgezogen, also meine Homepage vom Netz genommen und auch meine Veröffentlichungen in sozialen Netzwerken bzw. Fotoforen zurückgefahren. Ich war in letzter Zeit nicht mehr so produktiv und neue Werke sind nur sporadisch entstanden, auch wollte ich etwas Abstand zum Foto(Kunst)-Betrieb gewinnen. Auf Facebook präsentiere ich jedoch weiterhin meine Werke und pflege Kontakte zu Künstlerfreunden und Fans. Aber eine neue Homepage ist in Planung mit frischen Werken und auch die alten Sachen werden gezeigt.

Ich hatte ein paar kleine Ausstellungen wo einige meiner Werke gezeigt wurden. Es ist für mich immer sehr aufregend, meine Bilder in direkter Interaktion mit einem Betrachter wahrnehmen zu können. Überhaupt ist es bei der digitalisierten Kunst wichtig, sein Werk nicht nur auf dem Computerbildschirm zu mustern, man muss es auch in die Hand nehmen und bei Lichte betrachten können. Für mich ist das gerade bei Werken bedeutsam, wo es mir schwer fällt zu einem Ende zu kommen. Dann ist der für mich zufriedenstellende Ausdruck auch immer eine ritualisierte Finalisierung.

Thomas: Von Ansel Adams existiert ja dieser bekannte Spruch ‚Zwölf gute Fotos in einem Jahr sind eine gute Ausbeute‘. Klar, zu seiner Zeit war es nicht so leicht Bilder Bilder final auf den Weg zu bringen, wie heute – dennoch, bin ich der Meinung, kann ein echtes Foto, niemals von einer Datei in Bierfilzgröße bei Facebook oder Flickr repräsentiert werden. Aber auch die Betrachtungs- und Wertschätzungskriterien haben sich massiv geändert. Echte Kunstwerke gehen in den sozialen Medien unter, erst recht, wenn die Reichweite des Produzenten – ‚Fotograf‘ will ich den Zwischenzustand erst gar nicht nennen – im Keller liegt. Kann ein Bild mit wenig Klicks, ein Portfolio mit wenig Followern überhaupt was taugen? Was für eine rhetorische Frage. Ich denke ja doch – In Facebook gibt es zum Beispiel das Portfolio einer Fotografin, die in den letzten 40 Jahren Platten-Cover-Geschichte geschrieben hat – sie hat das Who-is-Who der englischen und amerikanischen Pop-/Punk-/Rock-/Klassik- und Schauspielerszene fotografiert – ihre Fansite hat aber nur ca. 270 Likes. Wahrscheinlich deshalb, weil es ihr erstens Wurscht ist und sie zweitens statt Facebook-Pflege lieber fotografiert. Ich bin mir sicher, da draussen gibt es einen Ozean an superfähigen Leuten, Fotografen und Fotokünstler die im Prinzip außerhalb ihrer Szene keiner wahrnimmt. Wie siehst du den Spagat aus Social-Media-Verzicht und Social-Media-Notwendigkeit aus Künstlersicht?

Hendrik: Eine Hassliebe. Wie oft schon habe ich diese Beziehung aufgekündigt, um ein Singleleben zu führen.

So zahlreich die Möglichkeiten von diesen Netzwerken, Fotoforen, Onlinegalerien sind, so überwältigend ist die Bilderflut, die tagtäglich aus allen Ecken des Internets quillt. Das führt zwangsläufig zu einer Abstumpfung in der Wahrnehmung bzw. Wertschätzung und wie naiv muss man sein, wenn man glaubt, dass eine hohe Zahl von Likes etwas mit der Qualität des gezeigten Bildes zu tun hätte. Gute Bilder sind wie ein Wein, der erst nach einigen Schlucken sein Bouquet entfaltet und langsam sein Geheimnis preisgibt, um ein nachhaltiges Erlebnis zu bieten. Es bleibt jedoch keine Zeit für Genuss, es wird nur runtergeschluckt, während man bereits nach dem nächsten Glas greift. Alles Zarte, Rätselhafte, die Magie zwischen den Bildpunkten und Farbklecksen wird buchstäblich plattgewalzt und geht unter. Bei mir als Künstler sorgt diese Reizüberflutung ebenfalls zum Blackout, die Sinne werden betäubt und die Luft für Kreativität wird knapp.

Andererseits bieten sich aber auch zahlreiche Gelegenheiten um Kontakte zu knüpfen, Informationen auszutauschen, Meinungen und Stimmungen zu seinen Werken einholen oder Anregungen z.B. neue Techniken entdecken. Einige sehr wertvolle Freundschaften sind so entstanden. Ich kann meine Werke unkompliziert einer nicht unerheblichen Schar von Interessenten und Kundigen auf der ganzen Welt vorstellen. Zudem kann die Organisation einer Ausstellung sehr teuer sein. Ansprechende Ausdrucke gehen ins Geld und was nutzt eine Werkspräsentation, wenn kein Mensch davon Kenntnis hat.

So bleibt ein vorsichtiger Umgang mit Social-Media und wenn notwendig auch hin und wieder mal eine kleine Auszeit, um den Kopf freizubekommen.

Thomas: Hendrik, fotografierst du noch analog?

Hendrik: Ich habe in den letzten 10 Jahren die analoge Ausrüstung nur noch sehr selten in die Hand genommen. Zu groß war die Neugier auf die neue Technik und deren vielfältige Anwendungsmöglichkeiten. Vor einigen Jahren hatte ich noch mal eine Phase, wo ich mit Polaroidkamera experimentiert habe. In diese Zeit fällt auch das Spielen mit einer Holga.

Thomas: Ich sehe dich als tiefgründigen Bild-Komponisten – Was ist dein ‚Geheimrezept‘ um der eigenen Oberflächlichkeit von Bildkreationen zu entweichen? Ist es nur Musik? Ist es die Zeit, die ein Werk zur Reife braucht? Welche Synthesen finden in deinem Kopf sonst noch statt, die letztlich in einem Bild münden?

HendrikEine sehr schwierige Frage und ich musste eine ganze Weile in mich gehen, um antworten zu können. Die Komplexität an dieser Fragestellung speist sich aus zwei Tatsachen: Zum einen sind mir viele Prozesse selbst gar nicht bewusst, zum anderen berührt diese Frage auch eine sehr intime Welt. Dennoch versuche ich mal drei mir als wesentlich erscheinende Aspekte kurz näher zu erläutern.

Ich bin ein sehr aufmerksamer Beobachter und habe nicht selten eine geradezu philosophische Sichtweise auf die Umwelt. Das kann übrigens auch schon mal sehr anstrengend für meine Mitmenschen oder für auf mich selbst werden. Gepaart mit einer Portion Empathie und einem permanenten Hinterfragen meiner eigenen Person entsteht hier immer wieder ein Spannungsfeld das genügend Energie für Kreativität erzeugt.

Auch Ästhetik ist ein sehr beachtlicher Treiber in meinem Schaffensprozess. Das äußert sich als eine Art heimlicher Suche nach Schönheit, die ich aber vor allem in der Balance und Ausgewogenheit einer Komposition entdecke. Hier liegt vermutlich auch meine Liebe zu grafischen Elementen und Farben begründet. Überhaupt könnte ich zum Thema Schönheit einen langen philosophischen Vortag darbieten.

Ein letzter Aspekt ist das Thema Romantik. Eigentlich ist die Romantik eine Unterform der Schönheit, die hier vor allem auf einer emotionalen Ebene einen Zugang zum Rezipienten aufbaut. Eine gewisse romantische Sehnsucht äußert sich wohl häufig in meinen Bildern. Ich empfinde es als eine Art Gegenbewegung in einer Zeit, in der Rationalität und Zeitmanagement wesentlich unseren Alltag bestimmen.

Thomas: Vielen Dank Hendrik, für den kleinen Einblick in deine Arbeit!

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