Gleisarbeiten Thomas Lüttig

Interview mit Thomas Lüttig

Thomas Gauck: Thomas, du bist Hochzeitsfotograf – erzähl uns doch etwas über dich.

Thomas Lüttig: Ich bin Thomas Lüttig, Baujahr 69 und verheiratet. Zur Fotografie bin ich erst recht spät gekommen und das über die Malerei, mit der ich mich jahrelang beschäftigt habe. Damals wollte ich nur meine gemalten Bilder so gut wie möglich fotografieren können, und halt so das was jeder macht – ein paar Urlaubsbilder usw. Vor ca. 4 Jahren habe ich mir meine erste Spiegelreflexkamera gekauft und dann angefangen, damit zu experimentieren. Nach einem Einsteigerworkshop, den meine Frau mir schenkte, löste sich dann der Knoten und seitdem vergeht kaum ein Tag an dem ich mich nicht mit Fotografie beschäftige, sei es nun praktisch oder durch das intensive Ansehen von Bildbänden etc. Bei diesem Workshop lernte ich auch Hochzeitsfotografen kennen und bin auch durch meine eigene Hochzeit zu diesem Thema gekommen. Ich besuchte Workshops u.a. beim Stilpiraten Steffen Böttcher und nach und nach wurde ich zum Hochzeitsfotografen. Fing mit kleinen Aufträgen an und entwickelte mich weiter… mehrere Workshops in allen möglichen Bereichen… von der Bildgestaltung über die Bildbearbeitung, Akt- Landschafts – Produktfotografie, alles mögliche bis hin zum Business und mittlerweile bin ich selbstständiger Hochzeitsfotograf und kann mich nicht über fehlende Aufträge beklagen. Daneben mache ich immer mal wieder Portraitshootings und gern auch mal ganz freie Projekte, bei denen ich mich „austoben“ kann. Ein Meilenstein war dann die Masterclass beim Stilpiraten Anfang 2014, die mich und meine Art zu fotografieren sicher sehr beeinflusst und geprägt hat. Mittlerweile ist es so dass ich eigentlich ständig fotografiere – auch ohne Kamera, versuche Licht zu sehen, Situationen und Motive zu erfassen, mir Bilder vorzustellen, ich schaue die Menschen um mich herum direkter an, versuche zu erfassen was sie bewegt, wie sie drauf sind, stelle mir dabei vor wie ich sie fotografieren würde … Meine Motive sind zu 90% Menschen, das finde ich am spannendsten. Mein Lieblingsspruch ist: Es entwickelt sich – und: Das Leben ist schön! …. und das hat auch sehr viel damit zu tun, dass ich zur Fotografie gefunden habe, weil mich das und mein Leben sehr positiv verändert hat.

Thomas Gauck: Die Malerei – ich hab mich früher auch ernsthaft mit der Malerei beschäftigt – ist sicher eine gute Schule Licht zu verstehen, mit Licht kreativ zu arbeiten. Der klassische Entwicklungsprozess der Portraitmalerei besitzt überhaupt viele Gemeinsamkeiten mit der Portraitfotografie, das beginnt schon mit der Wahl Bildschnittes. Mich würde interessieren, ob du dich von klassischen Bildgestaltungsregeln geleitet fühlst, ob du sie bewusst in der täglichen Hochzeitsfotografie versuchst einzuhalten, oder ob du dich eher von ihnen befreist? Allgemeiner: Sollte, man idealerweise ein ‚malerisches‘ Konzept im Kopf haben bevor man fotografiert – oder würde das eher einschränken?

Thomas Lüttig: Die Mischung machts, ich denke in der Hochzeitsfotografie versuche ich, beim Fotografieren öfter nach klassischen Gestaltungsregeln zu arbeiten – einige wenige Bilder baue ich gern ein, bei denen ich bewusst mal Dinge anders mache, aber das betrifft weniger den Bildschnitt – meist drehe ich da die Schärfe einfach um, fokussiere zum Bsp. auf irgendwelche vermeintliche unwichtige Dinge im Hintergrund und mache das Paar unscharf – bei einigen wenigen Bildern kann man das mal machen, aber ansonsten richte ich mich da schon eher an konservative Erwartungen … die ganze Reportage oder das Brautpaarshooting nur „Kunst“ zu machen die ganz anders ist, würde nicht funktionieren meine ich. Die wenigen Bilder die „unerwartet“ weil anders sind kommen bei den Paaren mal mehr oder weniger gut an, die meisten finden es gut und oft sind es gerade die Bilder, die dann später groß im Wohnzimmer auf Leinwand hängen, und sowas freut mich – aber das ist ja alles Geschmacksache. Aber mal das eine oder andere bewusst andersartige Bild mit einzubauen, finde ich spannend, und es hält wach. Das richtet sich oft nach dem Gefühl, dass ich für das Paar entwickelt habe – zu einigen passt das mehr, zu anderen weniger, auch so eine Sache die ich durch die Fotografie gelernt habe: bewusster auf mein Bauchgefühl zu hören.

Thomas Gauck: Wie fotografierst du freie Portraitserien: Suchst du dir deine Modelle aus, plant ihr zusammen eine Motivstrecke, oder lasst ihr euch von spontaner Kreativität treiben?

Thomas Lüttig: Das so pauschal zu sagen ist schwer. Kommt alles vor, je nachdem wo die Idee für die Bilder herkommt. Meist versuche ich, mir vorher so eine Art Moodbook zusammen zu suchen, so maximal 10 Bilder, die die Richtung vorgeben. Dazu nutze ich meist Bildbeispiele die ich irgendwo gesehen habe, Pinterest, 500px usw. sind gute Quellen dafür. oder eben richtige echte Bildbände. Das zeige ich dann und wir besprechen das, und dann fangen wir damit an … der Rest muss sich dann ergeben, ich find’s spannend, wenn so ein Shoot dann auf einmal eine ganz andere Richtung einschlägt, wenn man zusammen an den Bildern arbeitet und jeder seine Ideen beisteuert und das ganze eine Dynamik bekommt und was Eigenes entsteht. Meine Modelle: entweder finden die mich oder ich sie. In den sozialen Netzen toben ja eine Menge Leute rum, wenn man die ne Weile beobachtet und das was sie so zeigen sympathisch findet, dann muss nur der Tag kommen, an dem eine Bildidee zu einem Gesicht oder einer Persönlichkeit passt und dann wird angefragt. Ansonsten spreche ich auch gelegentlich mal Leute an, die mir irgendwo begegnen – leider mache ich das wohl zu selten. Mit der Model-PLattformen im Netz zum Beispiel habe ich bisher wenig gute Erfahrungen gemacht. Ich mag es eher wenn ich die Leute offline kenne. Aber das ist manchmal schwer wenn man auf dem Land wohnt.

Thomas Gauck: Fotografierst mit einem Assistenten?

Thomas Lüttig: Nur bei bei den größeren Hochzeitsreportagen assistiert und fotografiert Karo, meine Ehefrau. Ansonsten arbeite ich ohne Assistenten.
Ich habe allerdings immer einen kleinen Bluetooth-Lautsprecher und einen Mediaplayer dabei… :) Ich mag es nicht wenn es beim Fotografieren zu still ist, mit der passenden Musik kann man auch sehr gut Stimmungen erzeugen.

Thomas Gauck: Da sprichst du einen wichtigen Punkt an. Ich denke, dass Musik ein gutes Motivationswerkzeug ist, zumindest wenn alle Beteiligten auf der gleichen Welle schwimmen. Ich finde, dass Musik auch bei der Bearbeitung einen wesentlichen Qualitätsfaktor darstellt. Wie wichtig ist dir Nachbearbeitung, was sind deine Tools, wie sieht dein BEA-Konzept im Groben aus?

Thomas Lüttig: Stimmt – Musik ist wichtig. Ich versuche da immer was zum Projekt passendes zu finden, habe da ein paar Playlists für verschiedene Stimmungen, meist geht es darum, eine positive entspannte Stimmung aufzubauen – erstmal locker werden, dieser HAPPY-Song von Pharell Williams ist zum Beispiel immer ein guter Einstieg und alles was irgendwie funky ist, ich hatte aber auch schon mal eine ABBA-Shooting, weil ich wusste, dass mein Model die Musik sehr mag. Bei der Bildbearbeitung lege ich mir ganz gern was Ruhiges, Entspanntes auf, oft was aus der NU-Jazz-Ecke – das liebe ich. Stimmungsabhängig kann das aber auch mal Morrissey oder The Cure sein.
Die Bearbeitung sehe ich nur so als notwendiges Werkzeug an, ich fotografiere lieber als zu bearbeiten. Ich bin kein Fan von Photoshop, nutze es vielleicht nur bei 10% der Bilder, wenn überhaupt … ich mache eigentlich fast alles mit Lightroom. Ich habe Respekt vor den Leuten die in PS richtig zaubern können, irre Composings machen usw. Da gibt es echt tolle Sachen, ich schau mir sowas auch gern an, aber meins ist das nicht. Ich finde ein gutes Bild braucht wenig Bea und sieht in fast jeder Bearbeitung gut aus – weil es um den Inhalt des Bildes geht.

Thomas Gauck: Bist du ein starker Bildkonsument, was sind im Internet deine bevorzugten Quellen (Portfolio-Portale, Websiten, Blogs)?

Thomas Lüttig: Ich finde Bilder anschauen ist unheimlich wichtig, da kann man soviel lernen und oft regt das zu eigenen Ideen an. Das Problem dabei ist, dass man im Netz förmlich erschlagen wird mit Bildern – da die wirklich guten zu finden ist nicht einfach, manchmal lasse ich mich schon durchs Netz treiben und schaue einfach mal querbeet durch Fotoportale wie Pinterest oder 500px usw. – daneben habe ich da so meine Linkliste von Pages einiger Fotografen die ich sehr schätze und da schaue ich immer mal gern wieder vorbei, ich finde man muss sich irgendwie ständig mit Bildern „füttern“ und sich seine Nahrung für die grauen Zellen suchen, allerdings blättere ich lieber in echten Bildbänden. Seit der Masterclass beim Stilpiraten bin ich ständig auf der Suche nach guten Bildbänden, das war so eine Erkenntnis daraus für mich: Steffen „Stilpirat“ Böttcher hat es so formuliert: Bilder müssen auf die Welt kommen. Und er hat Recht. Echte Bilder regen mich viel mehr dazu an, selbst rauszugehen und zu fotografieren als die Bilderflut im Netz.

Thomas Gauck: Welche Bildbände liegen bei dir denn auf dem Tisch, wenn Fotofreunde zu Besuch kommen?

Thomas Gauck: Alles super Bände. Bei mir liegt da auch noch ‚Hier weit entfernt‘ von Pentii Sammallahti, war ein auch genialer Tipp von Steffen.
Ja, Bilder müssen auf die Welt kommen. Hattest du schon mal Totgeburten in Form von desaströsem Datenverlust; gerade bei Hochzeitsaufträgen ist das Datenmangement ja besonders wichtig – sicherst du schon vor Ort, oder speicherst du simultan auf ne zweite Karte?

Thomas Lüttig: Das muss ich mir mal anschauen – Danke für den Tipp.
Böses Thema mit dem Datenverlust, ich war einmal kurz davor, ein paar wichtige Bilder zu verlieren. Adrenalin pur und meine Flüche dabei will ich hier lieber nicht zitieren. Zum Glück konnte ich die Daten von der Speicherkarte dann doch noch retten. Das war ein Warnschuss. Danach bin ich los und hab mir die die erste 5DMark3 geholt, die beiden Kartenslots sind einfach klasse (auch sonst mag ich die Kamera – das ist mein Arbeitstier) die Bilder werden doppelt gespeichert. Wenn ich dann zu Hause die Daten am PC importiere, ist mein zweiter Arbeitsschritt diese erst einmal auf ein NAS System zu kopieren. Sicher ist sicher. Erst dann fange ich mit der BEA an. Den Tag an dem mal eine Hochzeit verloren geht, möchte ich nie erleben, das wäre der Supergau – da fällt mir ein neulich war der Kartenleser (zum Glück war es nur der) defekt – jedes zweite Bild wurde nur halb importiert, der Rest des Bildes war grau. Bis ich den Fehler gefunden hatte, dauerte es ein paar Minuten … in denen ich glaube ich um Jahre gealtert bin. War dann aber alles gut – so ein 10 Euro-Kartenleser kann so grausam sein. :)

Thomas Gauck: Ich sage immer, einen Fotografen nach der Ausrüstung zu fragen, ist wie einen Maler nach seinen Pinseln zu fragen. Aber uns sag doch zumindest, was in in deinem Koffer niemals fehlen darf?

Thomas Lüttig: Bevor ich mich vor Ort ärgere weil mir irgendwas fehlt schleppe ich lieber zuviel mit und lasse es dann ungenutzt im Koffer. Neben den beiden Kameras sind das die Art Objektive von Sigma 24,35 und 50 mm, von Canon das 85er liebe ich und das 135er, daneben habe ich das New Petzval 85mm dabei und neuerdings auch ein TS 24mm mit dem ich mich so langsam anfreunde, ein 105mm Makro ist auch im Koffer. Na und dann noch ein paar Blitze für den Abend, die Firefly, Funkauslöser, den SunBouncer usw. das ganze Gedöhns. Wenn bei Hochzeiten noch ein PhotoBooth mitbestellt wurde, ist das Auto richtig voll. Die Mindestausstattung, die ich am Mann habe, sind die 4 Linsen von 24 bis 85mm. Alles andere bleibt erst mal im Koffer. Wenn ich privat nur so für mich losziehe, dann ist nur das 35er und das 85er dabei, eigentlich reicht das. Achja, bei Hochzeiten muss die Seifenblasenmaschine unbedingt mit … :)

Thomas Gauck: Einen ultimativen Tipp, den du Jungfotografen unbedingt auf den Weg geben willst?

Thomas Lüttig: … naja ich finde ich bin selbst noch ein „Jungfotograf“ … trotz der grauen Haare. Ich finde, die meisten machen sicher eine Entwicklung durch – anfangs kümmert man sich zuviel um die Technik und vielleicht zuwenig um das Inhaltliche seiner Bilder, diese Phase ist vielleicht wichtig aber man sollte sie so schnell wie möglich hinter sich lassen. Kauft Euch statt irgendwelcher Foto-Zeitschriften, die Euch erzählen wollen, dass ihr unbedingt die neueste Kamera haben müßt, lieber ein paar gebrauchte Bildbände. Ich denke das trifft es. Ansonsten glaube ich, dass jeder laufen lernen muss und dazu sollte man sich Hilfe holen, gute Workshops sind immer Raketen in der Entwicklung und viel mehr wert als sie kosten… nur fliegen lernen muss man dann selbst.

Thomas Gauck: Ein sehr schönes Schlußwort, Thomas. Vielen Dank für deine Bildstrecke und deine Bereitschaft für das Interview. Viel Erfolg wünsche ich dir weiterhin!

Thomas Lüttig: Vielen Dank an Dich, das hat total Spass gemacht – ich wünsche Dir auch viel Erfolg,

Jan hatte sich vor ein paar Tagen übers Netz gemeldet und nach einem Shooting gefragt – seine Wünsche an die Bilder waren: was männlich-markanntes, keine Grinsebilder, vielleicht was mit Industrie oder besser was mit Bahnhof … und sein Spruch: Bitte keinen hellblauen Babyhimmel … stand sozusagen wie ein Motto über dem Shooting … na dann, los. Ich hatte ein paar Bildideen im Kopf und hoffte auf etwas Zeit, um auch mal wieder ein paar fotografische Experimente zu wagen – zum einen waren da zwei recht neue Objektive mit im Koffer, die mal getestet werden sollten, das neue 50mm Art 1,4 von Sigma zum Beispiel und das goldene New Petzval war auch dabei, ein paar Mehrfachbelichtungen waren auch mal wieder fällig und dann einige Freelensing-Tests. Naja dachte ich anfangs, ob wir das wohl alles schaffen, schliesslich wollten wir ja zunächst ein paar “normale Bilder” machen und die Experimente landen da meist soweit hinten, dass es gerade im Herbst viel zu schnell dunkel wird. Aber diesmal passte alles.