Helen Amanda Dahms

"Helen Kaiser – Stimme und Erscheinung laufen Wettrennen um die Schönheit und beide gewinnen. Helens Musik verzaubert mit Kraft, Zerbrechlichkeit und Anmut."

Thomas Gauck: Amanda, in deiner Welt der Portraitfotografie fühle ich mich richtig wohl. Mit deinen Portraits kommt unglaublich viel Sympathie und Authentizität rüber. Deine Modelle wirken nie ‚positioniert‘ oder drappiert. Man sieht, die Menschen in deiner Umgebung fühlen sich wohl. Den Eindruck hatte ich auch aus den Videos, die man von deiner Arbeit im Netz finden kann. Wie würdest du deine persönliche Arbeitsweise umschreiben, was macht deinen Stil aus?

Amanda Dahms: Danke, lieber Thomas – so große Worte direkt zu Beginn. :) Tatsächlich sind Authentizität und Sympathie zwei riesengroße Kernelemente, die ich sowohl in meinen Portraits, als auch im Umgang mit meiner gesamten Umwelt widerspiegeln und verkörpern möchte. Schön, dass das so gut funktioniert! ;) Wer selbst schonmal vor der Kamera stand, weiß vielleicht wie unwohl man sich fühlen kann, das muss nicht zwingend an der Person und dem Team hinter der Kamera liegen, viel häufiger liegt es an der eigenen Unsicherheit in einer neuen und fremden Situation – so viele Faktoren spielen hier eine Rolle. Natürlich gibt es, wie überall, Bilderbuchexemplare, die sich in ihrem Auftreten und ihrer Selbstsicherheit durch nichts und niemanden verunsichern lassen, das ist aber wahrlich nicht die Regel. Bei meiner Arbeit versuche ich immer eine entspannte, freundschaftliche und intime Atmosphäre zu schaffen. Vorab mindestens einmal telefonieren oder skypen, das Team so klein wie möglich halten, Zeit (bspw. während Haare & Makeup gemacht werden) nutzen, um eine Verbindung aufzubauen, die Menschen sein lassen und nicht zu stark in ihr natürlichen Verhalten eingreifen… und für mich ganz wichtig: während dem Fotografieren alle Anweisungen und Kommentare neutral halten. Die Person vor der Kamera bezieht automatisch alle Äußerungen auf sich und ist wahnsinnig schnell verunsichert, auch wenn Du mit ‚…ach verdammt, das sieht alles scheiße aus!‘ eigentlich nur das Licht und Deine Kameraeinstellungen gemeint hast…

Thomas: Da hast du recht – wichtig finde ich aus Fotografensicht auch, dass man sich als Fotograf nicht so wichtig nimmt. Wenn man von seinem Gegenüber echte Ausstrahlung sehen will, dann wird die einfach nicht zutage treten, wenn man zu dominant ist. Damit meinte ich, dass man sich ‚wohlfühlen‘ muss. Der Fotografierte kann sich im besten Fall öffnen, muss es aber nicht. – Kannst du Auslöser benennen, die dich ursprünglich zur Portraitfotografie brachten – war es zum Beispiel die Begegnung mit Menschen, oder eher die Faszination die von tollen Bildern ausgeht?

Amanda: Absolut – am besten findet man ein gesundes Mittelding aus verantwortungsvoller Präsenz und angenehmer Zurückhaltung auf Augenhöhe. Irgendwie ist bei mir alles zufällig passiert. …zumindest erscheint einem das meist so, wahrscheinlich war es eher unterbewusst bzw. instinktiv. Gesichter haben mich als detailverliebter Beobachter schon immer sehr fasziniert und gefesselt. Das Fotografieren macht die Faszination für mich greifbar – ich liebe es die schönsten, vorteilhaftesten und ausdrucksstärksten Züge eines Menschen zu entdecken und in seiner Natürlichkeit festzuhalten. Zu Deiner Frage also: es ist irgendwie eine Mischung aus beidem.

Thomas: Du bist demnach sicher auch ein aufmerksamer Beobachter. Aufmerksamkeit kann man trainieren, aber es gibt auch sehr sensitive Menschen, denen das leichter fällt. Neulich habe ich gelesen, dass Hypersensibilität eine Hochbegabung ist, die nur sehr wenige haben. Ist dein ‚fotografisches Auge‘ ständig aktiv, oder – weil du ja Berufsfotografin bist – schaltest du den ‚Scanner‘ am Feierabend ab?

Amanda: Haha, das habe ich nicht gewusst, aber Hochbegabung klingt fabelhaft! ;) Ich glaube, wenn der eigene Beruf, auch wenn’s abgedroschen und pathetisch klingt, aus Liebe und Leidenschaft entsteht, schaltet man nie wirklich ab – das möchte man meistens auch gar nicht. Wenn man liebt, was man tut, bereitet die Auseinandersetzung mit dem Job viel Freunde. (Punkte wie Selbstzweifel, Unzufriedenheit und Zukunftsängste ignorieren wir an dieser Stelle mal. :D) Ich merke mittlerweile allerdings, dass mein Mann und Freunde & Familie für mich immer mehr an erster Stelle stehen. Daher bin ich für private, kameralose und stille Momente sehr dankbar und genieße die ‚visuelle Ruhe‘ sehr… dann reicht im Notfall auch ein Foto mit dem iPhone.

Thomas: Ja herzlichen Glückwunsch an dieser Stelle, es ist ja noch nicht so lange her dass du geheiratet hast! Deine neue Website macht auf mit einer Menge Promis, von Erika Berger, Ralf Richter über Wotan Wilke Möhring, bis zu Hans-Dietrich Genscher sind da sehr bekannte Persönlichkeiten zu sehen, und wirklich klasse fotografiert. Reinhold Messner hast du auf seinem Schloss fotografiert und er lächelt mal richtig! Ist die Vorbereitung auf ein Promi-Shooting anders, oder umfangreicher, und bist du dann bei Promis ähnlich ruhig oder aufgeregter? Wer wäre dein Wunsch-Promi vor der Linse?

Amanda: Ja, vielen Dank, sowohl für die Glückwünsche, als auch für das Kompliment! Natürlich setze ich mich vorbereitend mit der zu portraitierenden Person umso intensiver auseinander, desto mehr Infos es über sie gibt. Das ist bei Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen selbstverständlich der Fall. Selbstverständlich bin ich aufgeregt, wenn ich den grandiosen Hans-Dietrich Genscher oder Erika Berger fotografieren darf, es ist ein riesiges Privileg so starke Charaktere, einflussreiche und charismatische Menschen zu treffen. Während der Zusammenarbeit verberge ich meine Bewunderung zwar nicht, ich halte sie aber recht neutral und versuche jeden vor der Kamera gleich zu behandeln, sodass kein Ungleichgewicht entsteht. Oooooh… muss ich mich für einen entscheiden? Es tatsächlich eine kleine Liste… sagen wir mal so: von Ina Müller bis Lukas Podolski.

Thomas: Manchmal ergibt sich eine, auch für Dritte, spürbare Nähe, die dann einem Projekt nochmal eine andere Qualität verleihen kann. Bei der Sandra Maischberger ist mir zum Beispiel aufgefallen, dass in ihren Interviews mit Helmut Schmidt eine besondere Vertrautheit lag – trotz aller formaler Höflichkeiten, eine Verbindung eben. Nun, mit der Kamera führt man ja auch einen Dialog, der eine eigene Dynamik und Sprache besitzt, und vom Gegenüber reflektiert wird und jedes Shooting hinterlässt beim anderen einen Eindruck. Mal intensiver, mal oberflächlicher. Hierzu würde mich deine Meinung interessieren. Wieviel Herz braucht ein guter Portraitfotograf – und wie wenig Technikkram?

 

Amanda: Als Grundvoraussetzung muss ein Fotograf natürlich sein Handwerk verstehen und die Komponenten, die seine Arbeit ermöglichen bzw. ausmachen, beherrschen. Wenn das nicht gegeben ist, hilft auch das größte Herz nicht weiter. Je nach Arbeitsweise, Bildstil und – Atmosphäre fällt der technische Umfang natürlich unterschiedlich aufwendig aus. Ich bin in meiner Arbeit gerne schnell, flexibel, beweglich und unkompliziert, das funktioniert nur mit sehr reduziertem Aufwand. Daher liebe ich es nur meine Kamera, ein Objektiv und, als höchstes der Gefühle, meinen Faltreflektor zu nutzen. Mehr brauche ich nicht, um meine Fotos zu machen. Umso mehr muss ich mit Einfühlungsvermögen, Beobachtungsgabe, Aufmerksamkeit und Positivität wettmachen, um mein Gegenüber bestmöglich abzulichten.

Thomas: Mit Ben Hammer hast du eine ebenfalls unkomplizierte und regelmäßige Bildbesprechung durchgeführt – wer es nicht kennt – Time for Prints. Habt ihr das Konzept eingestellt, wird es wieder etwas in dieser Art geben?

Amanda: Time for Prints war von vornherein als einmalige Aktion geplant. Wir hatten knapp 70 Einsendungen und nur sehr wenig Zeit für die Produktion… Von meiner Seite wird es keine zweite Runde geben. Grundsätzlich ist es ein wirklich schönes Projekt, tolle Idee: „backtothehapticroods“ der Fotografie, ich stehe total auf Fotos auf Papier und ich liebe es in Arbeiten anderer zu stöbern und den Nachwuchs auszuchecken. Konzeptionell war es allerdings bei der Menge von Einsendungen und der dafür verfügbaren Zeit neben unseren Jobs nicht möglich, den Arbeiten und ihren Einsendern wirklich gerecht zu werden. Zwar erkenne ich anhand der ersten 2 Bilder, ob eine Arbeit Potenzial hat und wo ggfs. Schwachstellen liegen, das dem Zuschauer und Einsender begreiflich und konstruktiv mitzuteilen ohne respektlos seiner Arbeit gegenüber zu wirken, ist unter den Rahmenbedingungen jedoch nicht ausreichend umsetzbar. An diesem Punkt sind wir – in meinen Augen – an unsere Grenzen gestoßen. Sowas merkt man aber auch erst, wenn man tatsächlich davor sitzt und mit dem Umfang konfrontiert wird…

Thomas: Jedenfalls fand ich Time for Prints sehr sehenswert und erfrischend. Überhaupt freue ich mich, dass durch die soziale Medien ein kollegialer Austausch zwischen Fotografen und deren Dienstleistungsperipherie gelebt wird. Ist doch nett anzusehen, wer mit wem kooperiert und auch gemeinsame Projekte realisiert. Bist du ein Netzwerker und gehst du auch mal selbst auf die Pirsch um komplett neue Fotografen oder Modelle zu entdecken – wo treibst du dich da herum?

Amanda: Ich muss gestehen, dass ich außerhalb der sozialen Medien nie aktiv nach Modellen suche, natürlich halte ich immer ein Auge offen und wenn ich mal jemanden auf der Straße sehe, ist es ein Zufall im Alltag. Wenn Du aber weißt wo eine Quelle ist, bin ich für Tipps durchaus dankbar. ;)

Thomas: Amanda, wie ist deine Bildstrecke mit Helen entstanden, die wir hier sehen – (war das ein Home-Shooting?) – und stellst du dir für deine freien Shootings ein bestimmtes Thema, arbeitest du mit Moodboards bzw. hast du schon konkrete Vorstellungen von Sujets die du realisieren willst?

Amanda: Genau, mit Helen war ich in ihrer wundervollen Wohnung. Kleine Homestorys mache ich am liebsten, die fotografierte Person fühlt sich wohl, ist in gewohnter Umgebung und hat alles direkt vor Ort ohne große Koffer packen zu müssen. Außerdem verleiht es den Bildern Persönlichkeit und Ausdruck – macht das Portrait rund, weil der Raum von der Persönlichkeit und Ausstrahlung erfüllt und umgeben ist. Bei solchen Strecken, wie mit Helen brauche ich keine Moodboards, weil es hier um keine Inszenierung, sondern um den Menschen an sich geht – da entsteht alles von selbst und aus dem Moment heraus. Das heißt natürlich nicht, dass ich planlos in solche Projekte gehe, ich überlege mir schon, was die Person ausmacht, was sie liebt und wie sie lebt. Klar, Pläne für freie Projekte gibts immer. ;)

Thomas: Welchen ultimativen Tipp richtest du an talentierte Jungfotografen, welchen Weg können die sich sparen, was sollten sie beachten?

Amanda: So pauschal kann man das schwer sagen, das hängt ja immer von den Zielen, Potenzialen und Möglichkeiten ab. Grundsätzlich gilt aber: üben, üben, üben und nicht zum Stillstand kommen. Eigentlich kann man nichts verkehrt machen, solange man die eigene Entwicklung voran bringt. Erfolg ergibt sich, in meinen Augen, aus den Komponenten ‚Talent, Social-Skills, Netzwerk, Durchhaltevermögen & Hartnäckigkeit, Geschäftssinn und ein wenig Branchenkenntnis‘. Wenn man diese Punkte im Auge behält, kann fast nichts mehr schief gehen. ;)

Thomas: Vielen Dank Amanda – für deine Zeit, das Interview und deine Bildstrecke!


Amanda Dahms